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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Sie mir.
    Meine Liebe zu meinen Golffreunden hat mir geholfen, Alicia zu verstehen, ihre Flirts, ihre vielen Liebhaber. Eine Frau unter Männern zu sein, heißt sexuellem Druck ausgesetzt zu sein; die leichteste Berührung lädt ein, das kleinste Nachgeben setzt frei. Man braucht nur eine Taste niederzudrücken, nur ein Register zu ziehen, und was für heiße Töne, was für ein hungriger Luftdruck. Sie machte mit uns Musik, die nur sie selber hören konnte. Sie war Organistin, Kirche und Gemeinde. Wie herrlich, eine Frau zu sein. In der Bar hinterher lasse ich mich zeitweilig von der geilen Männlichkeit meiner Gefährten durchwehen und versuche, mir ihre gerunzelten, bärtigen Kinnbacken, ihre herben Ausdünstungen und ihre aufdringlichen und mit üblem Mundgeruch versetzten Banalitäten als Bestandteile einer Art Stendhalscher Kristallisation vorzustellen. Es gelingt mir nicht recht, ich bin weniger als halbschwul. Aber ich liebe diese Verrückten, hartnäckig wie ich bin. Und eine Frau zu sein – was für ein beständiges, beglückendes Ausströmen von Vergebung muß das sein, wenn man auf solche Art umgeben ist! Wie das Gefühl des Schwitzens an einem frischen Sommertag. Einmal geschah es mir, daß ich betroffen war vom Anblick männlicher Schönheit. Ich fuhr zu einer Schule, um einen sechzehnjährigen Jungen abzuholen. Als er aus dem Eingang hervorsprang, nachdem er meinen Wagen erspäht hatte, strich er mit einer raschen Bewegung sein Haar zurück, das jedoch weiter auf und ab wippte, als er – größer, als ich ihn in Erinnerung hatte – die Stufen heruntergelaufen kam. Ich sah ihn aus einer ungewöhnlichen Perspektive, abgetrennt von mir, als einen jungen Mann in der Welt. Er war plötzlich, ganz ohne Absicht, schön. Es war mein Sohn Martin.
    Arnos brachte eines Tages eine Polaroid-Kamera mit und machte ein paar Fotos von uns am elften Abschlag. Mir ist deutlich bewußt, daß ich fotografiert werde, doch gebe ich mir gleichzeitig ehrlich Mühe, den Ball zu treffen. Ich habe ihn gerade getroffen. Mein Kopf ist bemüht, unten zu bleiben, obwohl ich abgeschlagen habe. Ich sehe, lachhaft, das linke Knie leicht gebeugt, den rechten Fuß gegen die Regel noch von einigem Körpergewicht belastet, die Arme häßlich erschlafft, wie mein Bauch, der Nabel entblößt, mit komischer einäugiger Ernsthaftigkeit dem unsichtbaren Fairway entgegendrängt. Ich weiß noch, es war ein kräftiger Schlag, bei dem der Ball im Flug nach rechts abbog, ein Schlag, der zu einer sechs führte. Hinter mir ist eine Böschung mit Kakteen und Mesquitesträuchern zu sehen, darüber ein keilförmiger, scharf umrissener Felsvorsprung und ein Dreieck Himmel. Zu meinen Füßen die hufeisenförmigen Markierungen der Abschlagstelle und die Gummi-Abschlagmatte, die einen verrückt macht, und das Konfetti aus zerbrochenen Tees. Ich fühle, wie in der Entfernung, aus der ich mich betrachte, wenn ich diesen Schnappschuß in den Händen halte, Arnos die Kamera hält, und ich fühle außerhalb des Rechtecks dieses Bildes das Schweigen unserer beiden wartenden und beobachtenden Mitspieler. Ich sehe, nicht ganz im Brennpunkt, einen sozusagen mesomorphen Geistlichen mittleren Alters, der unter einer exotischen Wüstensonne und umgeben von Urlaubsattrappen in einem harmlosen Moment der Muße mit plumpen, aber feierlichen Gebärden einen Athleten imitiert. Ich möchte lachen, aber meine Kehle ist verschlossen, ausgedörrt von einer jähen Erkenntnis: dies ist ein Bild von mir im Paradies.

25
    Poker erfordert eine größere Runde von Spielern, sieben, und nicht immer sind es dieselben sieben. Woody spielt, Arnos jedoch regt sich über das Geld auf, und Jamie Ray zieht den finessenreicheren Mikrokosmos des Bridge-Spiels vor. Ich selbst hatte seit dem College nicht mehr gespielt und mußte die Regeln der verrückten Variationen lernen, die hier, unter den pokersüchtigen Pfarrern, hauptsächlich von Fred eingeführt wurden, dem einzigen Geistlichen, den ich je kennengelernt habe, der stottert, und außerdem bemerkenswert wegen der erschöpfenden Rotskala seiner Haare – aprikosenfarben auf dem Schädel, die Augenbrauen ein helles Kastanienbraun und die Wimpern von einem ausgewachsenen, fast dottergelben Rot. Er hat eine laute Stimme, trotz seines Stotterns, und er wettet gern. Er sorgt ständig für Wirbel, er hält uns alle immer in Schwung. Und ich habe nicht herausbekommen – womit ich nicht den Eindruck erwecken möchte, ich klatsche oder spioniere

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