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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Angst und seine Angst Mangel an Vertrauen, an Glauben.
    Und Jamie Ray habe ich sogar noch aufmerksamer zugehört, wenn auch lächelnd über seine köstlichen Südstaatler-Redensarten («Arschloch, schlüpfriger als eine Butterblume», fällt mir gerade ein – eine von vielen) und gegen die mich beschleichende Furcht ankämpfend, die jeder erklärte Homosexuelle mir einflößt. Für mich selbst und um seinetwillen versuchte ich herauszufinden, was das Heilige sein mag, das Männer ineinander sehen, welche Angst sie dazu treibt, sich nur an das eigene Geschlecht zu halten, obwohl sie dabei nicht männlich wirken, sondern, oft mit fanatischem Geschick, die verachteten weiblichen Gebärden kopieren. Was für ein tiefgründiger Kommentar zu unserer conditio, unserer unbestimmten Seele in ihrem palastartigen, aber verfallenden Gefängnis verbirgt sich hier? Es wirkt fast normal, abgesehen von einer unterschwelligen Tendenz zu Raubgier und Brutalität – zum Beispiel dem Mißbrauch sinnlich noch unschuldiger, stummer Knabenkörper. Was ist, fragte in mir der alte Professor Chillingworth, das Gute, das hier auf einem Irrweg angestrebt wird? Daß der Irrtum in einem tieferen Bereich entsteht als der bewußte Wille, hielt ich Jamie Ray selbstverständlich zugute, und er wußte, daß ich sein Putten bewunderte, und er bewunderte meine Schläge mit dem leichten Eisen, und so wurden wir, tappend und tastend, allmählich etwas weniger undurchsichtig füreinander. Ich gestattete mir das Vergnügen einer Beichte und erzählte Jamie Ray, wie ich in meiner Verzweiflung und Verwirrung angesichts meines Unvermögens, Frankie zu ficken, Gott um die Kraft gebeten hatte, eine Erektion zu haben, wie ich Ihn angefleht hatte, mein Komplice beim Ehebruch zu sein, und daß ich glaubte, meine Gebete wären, hätten die Dinge nicht einen anderen Lauf genommen, erhört worden. Unser Gott ist ein Fruchtbarkeitsgott.
    Auch Fred, der den intensiven Blick, den ich in seine Verrücktheit tat, und mein verwundertes Staunen darüber bemerkt hat, ist mir gegenüber jetzt viel gelöster und stottert weniger.
    Natürlich ist es schwer, professionelle Berater und Tröster zu trösten und zu beraten; mechanisch dahin geredete Phrasen, berufsmäßige Anteilnahme und selbst betonte Geduld werden brüsk beiseite geschoben. Bei einer Tagung von Masseuren kehrt keiner den andern den Rücken zu. So lernen wir, nichts zu sagen, als eine Möglichkeit, alles zu sagen. Das erhabene Schweigen der Wüste setzt uns ein Beispiel.
    Wie das Schweigen auch mich ansteckt und mich drängt, kurze Absätze zu schreiben.
    Du möchtest wissen, was ich über meinen eigenen Fall denke? Ein ganz gewöhnlicher Fall, der meine, ein Sturz in die abgrundtiefe Verwirrung der amerikanischen Frau. Ich habe jedoch das Gefühl, nicht nur gefallen, sondern auch besessen zu sein, und die Dämonologie sagt nun einmal, daß es zur Heilung in einem solchen Fall einer anderen Frau bedarf – und die einzige Frau hier, in diesem Grenzgebiet, sind Sie, Ms.

26
    Noth { * } weniger Schlaf als in der gestrigen Nacht. Ein schäumendes Verlangen, etwas zuwege zu bringen. Eine echte Furcht vor der Rückkehr in die Welt. In meinem linken Handteller kribbelt es, wenn ich daran denke; nachts, wenn ich liege, fühle ich mich in eine tiefere Tonart transponiert; die existentielle Feierlichkeit meines einmaligen Ichs und Schicksals kommt schweißnaß über mich wie der Tod durch die Pest. Mein früherer, herausfordernd gedrechselter Stil ist mir abhanden gekommen; ich schleppe mich lahm und wirrköpfig von einem verschwommenen Gedanken zum andern.
    Ich habe gerade eine Stunde damit zugebracht, noch einmal, nicht ohne häufig verlegen zusammenzuzucken, die Seiten zu lesen, die wir (du und ich, mein Leser: ohne dich gäbe es nur das Nicht-Geräusch eines Baumes, der in dem unmenschlichen Wald niederkracht) angehäuft haben. Nicht gerade, sagst du, eine sehr erbauliche oder überzeugende Geschichte. Ein Mann, in der Öffentlichkeit zu Tugend und Treue verpflichtet, verschmäht seine Frau, betrügt seine Geliebte, ist imnipotent { ** } bei einer anderen, nutzt das Vertrauen und das Unglück derer aus, die Rat bei ihm suchen, betrachtet seinen Vater und seine Söhne als bedrohliche fremde Objekte, und bei alledem bekundet er nie ein deutliches Schuldgefühl, sondern eher eine Art scharrender, suchender Unruhe, so als wären Ereignisse für ihn eine Geröllhalde, auf der nach irgendeinem mysteriösen Schatz zu suchen

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