Der Sonntagsmonat
Glaubens die manifestatio verkündete, in seiner scholastischen Argumentation und in der sichtbaren Artikulation seiner Kathedralen. Der Querschnitt des Mittelschiffs kann an der Fassade abgelesen werden, der Aufbau der Gesellschaftsordnung am Querschnitt eines Pfeilers. Meines Vaters Tischlerarbeiten erschlossen mir die Möbel, die mich in meiner Kindheit umgaben, und verliehen ihnen etwas Religiöses. Die Frauen, die als dunkle Bündel und wirre Knäuel zu mir kamen, wurden hell und klar, wenn sie gefickt wurden. Ich kenne sie – man kann nicht etwas kennen und es nicht lieben. { * } In dieser Beziehung waren die Griechen gar nicht so naiv, wenn sie annahmen, das Gute kennen, bedeute, das Gute tun.
Indem wir sie kennen, lösen wir die Welt hinreichend auf, um uns frei in ihr bewegen zu können. Wir vertreiben die Klaustrophobie. Denk an den Automechaniker – wie geschmiert-geschmeidig sein konsequentes Hinabsteigen in das Problem, im Gegensatz zu dem Dummkopf (wie mir), der ärgerlich auf die Haube über dem widerspenstigen Rätsel seines nicht anspringenden Motors schlägt und sich den Daumen verletzt. Indem wir sie kennen, lösen wir die Kruste auf, mit der unsere animalische Düsterkeit alles überzieht, und fühlen uns in Gottes Kunstfertigkeit ein.
Trifft das auch für den Pathologen zu, der Tag um Tag in die gekritzelten Mikrogebilde von Dysfunktion und Krankheit hinabsteigt?
Trifft das auch für den Perlentaucher zu, dessen Atemschlauch einreißt und der inmitten der Milliarden lebender Korallen ertrinkt?
Und – schlimmer noch – hat eine solche Auflösung nicht etwas Dämonisches? Kann es sein, daß der Teufel uns in immer weitere Klarheit hineintreibt, bis wir nichts mehr sehen, worüber wir staunen können, und nichts mehr fühlen als die klebrigen Fäden unserer Analyse und eine Leere erkennen, wo einst die Schöpfung war?
Der gute Tillich, diese große liebevolle Qualle! Sein Glaube war ein Rückgang des Jenseitigen, mit zwei Farbflecken auf der einen oder der anderen Scheibe, nämlich der Vorstellung von der Welt als «theonom» und der Vorstellung von etwas «Unbedingtem» im Geist. Kants rettender Sims schnitt schärfer ins Fleisch als ein Fingernagel. Besser Barth, der uns triumphierend Dunkelheit anbietet und uns auffordert, anzubeten; wir beten an, und was wir außerdem lieben in der Welt, ist ihr Rest an Widerstand – diese Motelwände, die uns hier in der Einsamkeit festhalten, die Frau, die sich nicht herumrollen, nicht überrollen lassen will, die sie selbst ist.
Ms. Prynne, verzeihen Sie mir, ich glaube, ich bin zur Unzeit ins Predigen geraten. Ich bitte um Entschuldigung. Wie Sie gesehen haben, bin ich nicht nur ein Sünder, sondern noch dazu ein ziemlich fröhlicher Sünder, auch wenn mein Clownskostüm nur noch aus Fetzen besteht. Ein Clown überdies, der grausam sein kann – zumindest gegen die Seite von mir, die dem Anstand sklavisch ergeben ist; ich bin grausam gewesen gegen Jane.
Das Rechte tun, ist in allzu hohem Maße eine Sache der Details, des Flickwerks. Jene mächtige Flut von himmlischem excessus versickert in einer Wüste von lauter verschiedenen winzigen Wasserläufen. Wann ist es richtig für einen Mann, seine Frau zu verlassen? Wenn die Summe seines verleugneten Lebens alles andere übersteigt, den kalkulierten Verlust der Kinder, der Großeltern, falls sie noch leben, des Hundes und der hundszähen, als Fido bekannten ux. soweit noch in ihm vorhanden. Wann ist es gut, Krieg zu führen? Wenn Pearl Harbor angegriffen wird. Wann beginnt der Untergang des Imperiums? Wenn seine privilegierten Bürger anfangen, den Krieg zu verachten. Ethik ist Klempnerarbeit, notwendig, aber schmutzig. Ethische Leidenschaft das Schreckgespenst oberflächlicher Gemüter. Was uns interessiert, ist nicht das Gute, sondern das Göttliche. Nicht gut leben, sondern ewig leben.
Ich mißtraue diesen Behauptungen, obwohl ich ihnen doch anscheinend Glauben schenke. Wahrheit erwächst eher aus kleinen, schwierigen, der Form nach zweikeimblättrigen Wahrnehmungen, zum Beispiel der Übereinstimmung, die zwischen dem Tischlern und der körperlichen Liebe besteht. Der Moschusgeruch der Späne, die ekstatische ratio des Zerlegens, die Konzentration inmitten der auseinanderliegenden Glieder, die Notwendigkeit einer Bank oder eines Bettes, worauf sich das Werk verrichten läßt, der Stolz des Meisters, wenn alles sich gut zusammenfügt.
Versuche ich hier, Sie zu verführen, Ms. Prynne? Helfen
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