Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
Ich erhöhte; er zog nach. Ich erhöhte wieder; ich dachte, er hätte mich nur auf die Probe gestellt und würde jetzt passen. Er paßte nicht. Ich erhöhte, wenn auch mit sinkendem Mut, ein drittes Mal, und er zog wieder nach, was zusammen mit den steigenden Einsätzen für die Highs (vier Karten eines Flush gegen ein mögliches Full House) einen ganz schönen Pot ergab. Nach dem Bieten rief ich Low!, wie auch Fred es tat, und sagte zu ihm: «Verdammter Kerl. Ich habe ein Paar.»
    «Wie h-h-h-hoch?» fragte er.
    «Asse», gestand ich und wunderte mich, daß er fragte.
    Er hatte die schlechtesten niedrigen Karten für seine ‹Hand› aufliegen, zwei Achten. Fred hatte also mitgehalten, als nur eine einzige Karte im Talon, das versteckte As, mich ihm gegenüber zum Verlierer hatte machen können. Zweierlei ging mir auf:
    Er war verrückt.
    Er hatte gewonnen.
    Er hatte, als er erhöhte, nicht auf einen vernünftigen Glauben, sondern auf eine praktische Unmöglichkeit gesetzt, und er hatte recht behalten. «M-m-m-mir k-k-kam es nicht so vor, als ob du’s in der T-t-t-tasche hättest», sagte er, als er das Geld zusammenscharrte.
    Und ich spürte die Verrücktheit in ihm wie einen brennenden Tumor, den ich hätte berühren und heilen mögen; ich hätte am liebsten in seinen Kopf hineingegriffen wie in einen großen rothaarigen Abgrund und dieses pulsierende Wunder an Verrücktheit befingert, das ihn veranlaßte durchzuhalten, auch wenn die Chancen schlechter standen als bei Pascals berühmter Wette.
    Ich wollte ihm, ja, so ist es, geistlichen Beistand leisten.
    Und all den anderen hier auch; unmerklich haben diese sündigen und bankrotten Geistlichen die Phantome verdrängt, die mich hierher gejagt haben, Phantome, wie es jetzt scheint, die mein Herz in seinen Fieberschauern beschworen, die es wie Pilze in einem lichtlosen feuchtkalten Keller der Selbstbeobachtung hatte gedeihen lassen. In der Wüstensonne hier sind sie verglüht. Die Wüstensonne hat alte Leiber in Skelette verwandelt und mir statt dessen diese gebeutelten, beherzten, jungenhaften, sterblichen Geistlichen gegeben. In den letzten Tagen habe ich mich dabei überrascht, wie ich Arnos und seiner Geschichte von der teuren leeren Kirche zuhörte und ihn darauf hinwies, daß diese Leere beredt und selbst das Wort sei, wenn er nur daran glaubte, daß Gott kein rührender dahinsiechender alter Herr, sondern eine Allmacht sei, die sich überall rege und schöpferisch tätig sei, die «machtvoll ein jeglich Ding in allem, was ist, bewirkt», um Luther zu zitieren, der Gottes Macht sogar in den Türken und Vandalen gepriesen habe – einander befehdenden Straßenbanden, wie sich hier zeige, in Arnos’ Nachbarschaft. Der Kirche sei nie ein quantitativer Erfolg bestimmt gewesen; das Christentum sei keine Industrie, die mit anderen Industrien im Wettbewerb stehe. Arnos und so viele andere gebrochene und durch das Verebben des Glaubens gestrandete Kollegen schienen mir auf die Streckfolter der sonderbaren Brückenkonstruktion Calvins gespannt, die von der absoluten Majestät und Ferne Gottes zu der Möglichkeit führe, daß Geschick und Erfolg im Umgang mit Kapital ein irdisches Zeichen göttlicher Erwähltheit seien. Das habe unseren amerikanischen Glauben so brüchig werden lassen. Es habe ihn grobschlächtig gemacht. Arnos’ Aufgabe sei es, auszuharren und Zeugnis abzulegen, nicht, einen Raum zu füllen oder ein Unternehmen in Betrieb zu halten. So versuche ich ihm gut zuzureden, mit Scherzen und stillschweigender Zuneigung.
    Woodys Lateinwut, sein Zorn auf die Bischöfe und die Berrigans und alle, welche die heiligen festen Formendes einen wahren Glaubens befleckt und entstellt und aufgegeben haben, versuche ich in der Weise zu erdulden, daß ich ihm im Schweigen meiner Aufmerksamkeit ein Echo ungebührlicher Bitterkeit zu Gehör bringe, eine Andeutung von unangebrachter Entrüstung, die von einer mehr persönlichen Angst vor dem Verhalten herrührt, von einem priesterlich-hierarchischen Neid vielleicht, einem unsäglichen Verdacht, daß nämlich, wenn derartige oberflächlichen Anpassungen wie eine Übersetzung in die Vulgärsprache, das Abtun des heiligen Christophorus und die Verehelichung von ein paar Jesuiten einen so massiven «Abfall» bewirken können, dasjenige, wovon abgefallen wird, längst gestorben sein mußte und nur noch seine eigene Hülle war, eine mit Blattgold verzierte Hülle. Woody glaubt alles, weil er nichts glaubt, und sein Zorn ist

Weitere Kostenlose Bücher