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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kapitel 1
     
     
     
     
     
     
     
    »W o um Himmels willen«, sagte
Sarah Kelling aus der Familie der Bostoner Kellings, »kommt denn bloß dieser
Spiegel her?«
    »Aus Spanien.«
    Max Bittersohn stellte
vorsichtig einen Korb mit Sarahs Habseligkeiten auf den Boden. Er war das erste
Mal hier in der Diele des schindelgedeckten Sommerhauses, das bei den Kellings
seit Präsident Grover Clevelands Tagen unter dem Namen Ireson’s Landing bekannt
war.
    »Um ehrlich zu sein«,
berichtigte er sich, »hat keiner je wirklich herausgefunden, wo genau diese
Spiegel mit dem Marmorrahmen angefertigt wurden. Seeleute pflegten sie meist im
18. Jahrhundert im Hafen von Bilbao zu kaufen und als Geschenk für ihre Frau
oder ihre Liebste mit nach Hause zu nehmen. Das muß noch vor der Zeit gewesen
sein, als die feinen Korsettstäbchen aus Elfenbein in Mode kamen, nehme ich an.
Was ist bloß in dich gefahren, so ein wertvolles Stück den ganzen Winter hier
im Sommerhaus hängen zu lassen?«
    »Das habe ich gar nicht. Das
ist es ja gerade. Er gehört überhaupt nicht hierher. Ich habe den Spiegel noch
nie im Leben gesehen!«
    »Mich trifft der Schlag!«
Bittersohn beugte sich vor und betrachtete die hübsche, kleine Antiquität mit
geübtem Kennerblick. »Hast du etwas dagegen, wenn ich ihn kurz von der Wand
nehme?«
    »Warum sollte ich? Ich habe dir
doch gerade gesagt, daß er mir nicht einmal gehört.«
    »Und ich glaube dir sogar, mein
Herzblatt, denn du müßtest verrückt sein abzustreiten, einen echten Spiegel aus
Bilbao zu besitzen, wenn es tatsächlich deiner wäre. Außerdem schließe ich aus
der hellen Stelle auf dieser scheußlichen Tapete, daß hier bis vor kurzem ein
sehr viel größeres Objekt gehangen haben muß. Was war es denn?«
    »Ein entzückendes altes
Mezzotinto mit dem schönen Titel Liebeserwachen. Ich habe es mit nach
Hause in die Tulip Street genommen, um damit Cousine Theonias Zimmer zu
verschönern.«
    »Da siehst du mal, wohin so etwas
führen kann.«
    Bittersohns Stimme klang
unkonzentriert. Er hatte eine kleine Lupe aus der Tasche genommen und
betrachtete wie ein echter Sherlock Holmes eingehend die grazilen, kleinen
rötlichgelben Marmorpilaster des zierlichen Rahmens. »Ich wünschte, wir hätten
etwas mehr Licht in diesem Vestibül oder wie zum Teufel man das Ding hier
nennt.«
    »Dein Wunsch sei mir Befehl.«
Sarah drehte an einem der Lichtschalter. »Beinahe jedenfalls«, verbesserte sie
sich, als nichts passierte, »wenn ich daran gedacht hätte, Mr. Lomax zu sagen,
er solle den Strom wieder anstellen. Aber er wird bestimmt bald hier sein,
nehme ich an. Ich habe ihm mitgeteilt, daß wir heute offiziell einziehen.«
    »Hast du ihm übrigens erzählt,
daß ich auch einziehe?«
    »Ich glaube schon. Er weiß jedenfalls,
daß ich die Wohnung für einen Mieter vorbereitet habe, denn das meiste dort hat
er hergerichtet, und er kann sich wohl auch denken, daß mich jemand herfährt,
da ich jetzt keinen eigenen Wagen mehr habe.«
    »Ich habe dir bereits
angeboten, daß du liebend gern einen als Hochzeitsgeschenk bekommen kannst.«
    Bittersohn trennte sich von
ihrem interessanten Fund und widmete sich Sarah lange genug, um sie davon zu
überzeugen, daß sein Angebot immer noch galt. »Wenn du bloß aufhören würdest,
jeden Tag deine Meinung zu ändern —«
    »Max, das stimmt doch gar
nicht. Ich brauche eben Zeit, mich wieder zu fangen, das ist alles. Du brauchst
deshalb nicht zu versuchen, mich zu bestechen und zu korrumpieren.«
    »Wie könnte man dich denn
korrumpieren?« Seine freie Hand glitt sanft unter ihren Pullover.
    »Hör sofort auf, du Lüstling.
Ich dachte, du wolltest herausfinden, wie der Spiegel hier ins Haus gekommen
ist?«
    »Welcher Spiegel?«
    »Max, das ist nicht nett.«
    »Ich wäre netter, wenn du nicht
so nett wärst. Wie findest du das als Liebeserklärung?«
    Es gelang Bittersohn mit großer
Willensanstrengung, seine Aufmerksamkeit wieder dem wunderschönen kleinen
Kunstwerk zuzuwenden, das so unerwartet den Platz des Liebeserwachens eingenommen
hatte.
    »Hast du ein Handtuch oder so
etwas?«
    »Ich sehe mal in der Küche
nach. Wärest du auch mit ein Paar Topflappen zufrieden?«
    »Natürlich. Ich möchte bloß den
Rahmen nicht direkt anfassen, falls Fingerabdrücke darauf sind.«
    »Max, Liebling, ist das
wirklich die Art, wie du arbeitest?«
    »Ich denke schon. Allerdings
nur, wenn du mir diese Topflappen gibst.«
    »Oh, Entschuldigung.«
    Sarah verschwand und kam mit
einem

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