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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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zurück und nehmen das Wachritual wieder auf. Aber schon beim nächsten Waffentausch beginnt der erste Soldat hartnäckig von neuem.
    «Aber warum muß sie dann bewacht werden?»
    «Verdammt noch mal, Mensch! Vielleicht ist es bloß eine alte Tradition aus grauer Vorzeit, als hier der Eingang zu irgendwas war.»
    Der erste Wächter wirft der grünen Tür, die ihm eine ganz gewöhnliche Haustür zu sein scheint, einen zweifelnden Blick zu und murmelt einlenkend: «Du meinst, jetzt ist sie nur noch so da?»
    «Einfach so», sagt der andere erschöpft, «von früher her.»
    Der erste unterdrückt sichtlich für eine längere Weile jede weitere Frage, beide marschieren hin und her, stampfen, machen kehrt, trippeln und schreiten mit den vorgeschriebenen zögernden Schritten aufeinander zu. Der erste Wächter sieht die Angst und Wut im Auge seines Kameraden, und deshalb sagt er beim nächsten Waffentausch mit versöhnlichem Grinsen: «Wahrscheinlich hast du recht. Sicher. Das stammt alles aus anderen Zeiten. Wir auch.»
    Aber der andere hat etwas aus den Augenwinkeln bemerkt.
    «Still!» zischt er, «hält's Maul! Da kommt wer. Jetzt kriegen wir Scherereien.»
    Der erste wagt nicht, den Kopf zu wenden. «Ob sie uns beobachtet haben?»
    «Klar, wozu kommen sie sonst? Bis jetzt ist noch nie jemand gekommen.»
    «Wer ist es denn?»
    «Es sind zwei.»
    «Kennst du sie?»
    «Das ist... die Tochter vom Alten!»
    «Und wer noch?»
    «Ein junger Kerl. Keine Ahnung. Mensch, halt bloß die Schnauze jetzt.»
    Beide Wachen salutieren und stehen starr und bleich wie Wachspuppen.
    Ein junges Mädchen im Pelzmantel kommt heran. Sie ist barhäuptig, ihr üppiges rotes Haar ist zu einem strengen Knoten im Genick geschlungen. Ihr blasses Gesicht ist schmal, schön und hart wie eine Gemme. In ihren Spuren stapft hinter ihr durch den Schnee ein junger, braunhäutiger Mann, der unter einem offenen Trenchcoat das eng anliegende, kostbar bestickte Kostüm eines Matadors trägt. In der Linken hält er den in die purpurne Capa gewickelten Degen. Das Mädchen ist vor dem Mauerrest stehengeblieben, ohne sich umzuwenden, und er holt sie nun ein.
    «Das da?» fragt er ein wenig außer Atem und lächelt ungläubig, «ist das Ihr Ernst?»
    «Ihr könnt gehen», sagt das Mädchen zu den beiden Wächtern, ohne sie anzusehen.
    Die beiden Soldaten wissen nicht, ob sie gemeint sind, und wagen nicht, sich zu rühren. Aufs Geratewohl sagt der erste: «Wir haben strikte Vorschriften.»
    Das Mädchen wendet sich ihm zu und mustert ihn. Man kann sehen, daß ihm die Zunge an den Zähnen festfriert.
    «Kennt ihr mich?»
    Der zweite Wächter salutiert noch einmal. «Zu Befehl, Hoheit!»
    «Schön», sagt das Mädchen, «ihr könnt gehen.»
    «Aber Ihr Herr Vater, der König, hat angeordnet, daß wir niemand ...»
    Das Mädchen unterbricht ihn. «Ich übernehme die Verantwortung. Übrigens weiß mein Vater Bescheid. Ich rufe euch, wenn ihr zurückkommen könnt.»
    Die beiden Soldaten schauen sich an, zucken die Achseln und gehorchen dem Befehl. Außer Hörweite bleiben sie stehen und warten, sie wenden dem Paar den Rücken zu. Nur manchmal wagt einer von ihnen einen kurzen Blick über die Schulter.
    «Also», sagt der junge Mann unternehmungslustig, «wenn man durch diese Tür geht, dann kommt man - wohin?»
    «Das kommt darauf an», antwortet das Mädchen gleichgültig.
    «Worauf?»
    «Darauf, wer durch die Tür geht. Und von welcher Seite. Und wann. Und warum.»
    Sie setzt sich auf die Stufen und zieht sich den Pelzmantel enger um den Leib. Er betrachtet sie lächelnd von der Seite, dann geht er neugierig um das Mauerstück herum.
    «Die beiden», sagt er, als er zurückkommt, und zeigt mit dem Daumen über die Schulter nach den Wachsoldaten hin, «wollten es offenbar auch schon genauer wissen.»
    «Möglich», murmelt das Mädchen, «aber wer es genauer wissen will, muß durch die Tür gehen.»
    Der junge Mann setzt sich neben sie. Er legt den Arm um ihre Schulter, aber sie schüttelt ihn mit einer kleinen, ungeduldigen Bewegung ab. Der junge Mann lacht leise.
    «Sie machen sich lustig über mich, stimmt's?»
    Das Mädchen wendet ihm ihr Gesicht zu, und er erschrickt, als hätte sein Tod ihn angeblickt. Sie schüttelt unmerklich den Kopf, dann blickt sie wieder geradeaus und fragt in die weiße Ebene hinein:
    «Sie sind von Beruf Held?»
    Der junge Matador nimmt sich zusammen und bringt noch einmal ein kleines Lachen zustande. «Nun ja, wie man's nimmt. Ich

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