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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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dem verhängten Fenster. Von Zeit zu Zeit hörte man den Wind in den Ritzen pfeifen und das leise, protestierende Knarren von Holz. Sie rieb sich übers Gesicht. Morgwen war dort draußen, um den Mantel zu suchen, den sie verloren hatte. Mühsam schluckte sie den Kloß in ihrer Kehle hinunter.
    »Wie lange ist er schon fort?« Die Frage schlüpfte ihr ungewollt über die Lippen.
    Maíre sah auf. »Seit einem halben Tag. – Er wollte nicht nur den Mantel suchen, sondern auch nach einem Weg von hier fort, der euch nicht unweigerlich zur Wolfsbeute macht. Mein Mann Labras hat ihm von der alten Brücke ein Stück weiter östlich erzählt. Dorthin wollte er, um nachzusehen, wie sie die letzten Stürme überstanden hat. – Es ist noch mindestens eine Stunde hell. Er kommt sicher bald wieder.« Unglücklich nickte Cassim. Was konnte sie auch anderes tun, als zu warten. Abermals kauerte sie sich tiefer unter die Decken. Doch nur um sich unruhig von einer Seite auf die andere zu werfen und bei jedem Geräusch atemlos zu lauschen.

    »Wenn du magst, können wir uns auch weiter unterhalten.«
    »Stört es Euch auch nicht?« Maíres Angebot erschien Cassim wie eine Erlösung. Sie rutschte in den Fellen höher und lehnte sich gegen die Wand am Kopfende des Bettes.
    »Aber nein. Einen Mantel zu säumen, ist keine so schwierige Arbeit, als dass ich dabei nicht mit dir sprechen könnte. – Du hattest unwahrscheinliches Glück, weißt du das? Der Nix hat noch nie eines seiner Opfer gehen lassen. Unsere Männer rätseln noch immer, was dein Morgwen angestellt hat, um dich aus seinen Klauen zu befreien.«
    Cassim strich mit den Fingerspitzen über das raue Fell. Mein Morgwen?! »Wenn der Nix so böse ist, warum habt ihr ihn nicht schon aus dem See vertrieben?«
    »Wie sollte man einen Nix aus seinem See vertreiben?« Die Nadel verharrte im Mantelsaum. »Ich glaube nicht, dass er wirklich böse ist.« Maíre blickte versonnen vor sich hin. »Als ich noch ein kleines Mädchen war, hat mir die Mutter der Mutter meiner Mutter Geschichten erzählt, die sie wiederum vor langer Zeit von den alten Leuten des Dorfes gehört hatte. Sie sagte, dass der Nix damals, als der See nicht das ganze Jahr zugefroren war und es auch noch etwas anderes als nur den Winter gab, oft an die Oberfläche gekommen sei. Nixe lieben die Wärme, musst du wissen, und dieser scheinbar ganz besonders. Stundenlang habe man ihn beobachten können, wie er friedlich in der Sonne schwamm. Er soll sogar mit manchen Freundschaft geschlossen haben. Ihnen hängte er dann Fische an die Angelleinen oder andere Dinge, die er für kostbar hielt.« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube, er sehnt sich ebenso nach der Wärme und der Sonne wie wir alle.«
    »Er hat mich hinuntergezogen.«
    Maíre sah sie nachdenklich an. »Vielleicht wollte er dir nichts Böses, als er dich in die Tiefe zog. Möglich, dass er dachte, dass es auch für dich – wie für ihn – an der Oberfläche zu kalt ist.«
    »Ihr meint … er wollte mich retten?« Verblüfft starrte Cassim sie an.
    »Nixe können nicht begreifen, dass es Lebewesen gibt, die nicht wie sie selbst im Wasser leben können.« Die Nadel glitt wieder durch den Stoff. »Die Mutter der Mutter meiner Mutter hat gesagt, sie seien wie kleine Kinder, die gewisse Dinge einfach nicht verstehen könnten.«
    »Aber Morgwens Schulter …«
    »Ja, das schaut bös aus. Als ich die Wunden sah, dachte ich, es wäre um ihn geschehen. Die Krallen eines Nix wären giftig, sagt man. Nun, zu seinem Glück ist das wohl nichts weiter als dummes Geschwätz. Sie heilen erstaunlich gut. – So, der erste wäre fertig.« Mit einer energischen Bewegung schüttelte sie den Mantel aus, an dem sie genäht hatte. Die schwere Wolle war in einem dunklen Blaugrau gefärbt und sah herrlich warm aus. Maíre legte ihn sorgsam zusammen und nahm ein weiteres Tuchbündel aus einer eng geflochtenen Kiepe, die hinter ihr an der Wand lehnte. Verwundert runzelte Cassim die Stirn. Offenbar bemerkte Maíre ihren Blick, denn sie zwinkerte ihr zu, während sie erneut zu Nadel und Faden griff. »Nein, ich nähe keine neuen Mäntel für das ganze Dorf. – Unsere Schafe«, ein Schatten huschte über ihr Gesicht, »haben eine sehr feine Wolle, aus der sich ein wunderbar warmes Tuch weben lässt. Wir verkaufen es auf dem Markt, den die Händlersippen jeden dritten Viertelmond halten. Eine von ihnen hat uns den Auftrag für ein Dutzend Mäntel wie diesen hier gegeben. – Von dem

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