Der Spieler (German Edition)
wenn auch brüchiger Stimme: »Was ich tue, ist Jai. Ich bin ein Jai.« Er richtete sich noch ein wenig weiter auf. »Ihr Paschos wollt, dass die Jai ihre Hakenmesser niederlegen und die Schallwaffen vergraben, damit niemand ihr Heulen hören muss. Ihr enthaltet uns Technologien vor, die ihr nur den Keli gebt. Aber die Geschichte lässt sich nicht leugnen. Wir Jai besitzen eine eigene Schrift, wir haben unsere eigenen Aufzeichnungen über die Vergangenheit. Wir kennen die Tricks der Paschos. Als ich Keli niedergebrannt habe, sind die Paschos wie Weizenähren unter meinem Hakenmesser gefallen. Ich habe ihre Gewänder rot gefärbt. Verrate mir, ob sie mich vergessen haben. Sag mir, ob sie nicht immer noch danach trachten, die Jai zu begraben!«
Raphel hob die Hände und versuchte, seinen Großvater durch beschwichtigende Gesten wieder dazu zu bewegen, sich hinzusetzen. »Das ist alles lange her. Wir Jai führen keinen Krieg mehr gegen Keli, und die Paschos, die dort leben, ebenso wenig.«
Der alte Gawar lächelte schwach und rieb sich das verkrüppelte Bein. »Der Krieg endet niemals. Das habe ich dir doch beigebracht.«
»Du steckst immer noch in Kelis Albträumen fest.«
»Zu schade, dass sie ihre Lektion nicht gelernt haben und auf ihrer Seite der Berge bleiben.« Der alte Gawar lachte glucksend in sich hinein, bevor er sich wieder auf seinem Sitz niederließ. »Wenn wir Keli das nächste Mal brandschatzen, werden wir keine Gnade zeigen. Der Keli-Akzent wird die Ohren unserer Kinder nicht noch einmal verpesten.«
»Du kannst die Außenwelt nicht für immer aus dem Tal aussperren.«
»So spricht ein Pascho. Mein eigener Nachkomme, der hierhergekommen ist, um uns zu verraten.«
»Die Jai haben denselben Anspruch auf Wissen wie die Keli.«
»Deine Worte sind wie Aas. Wie alle Paschos kommst du mit dem Wissen in der einen Hand, während die andere nach mehr Einfluss greift. Du sitzt mit gekreuzten Beinen da, meditierst wie die altehrwürdigen Weisen, und dann gibst du unserem Volk den Rat, Wasserläufe zu graben, sich euren Straßenbauprojekten anzuschließen, den Fabriken ... aber ich weiß, worauf ihr wirklich aus seid.«
»Wir errichten eine Zivilisation, Großvater.«
»Ihr seid unser Untergang.«
»Weil die Brunnen der Jai gefüllt sein werden, selbst wenn die Trockenzeit doppelt so lange währt?«
»Ist es das, was ihr zu bieten habt?« Der alte Mann lachte bitter. »Brunnen, die immer voller Wasser sind? Eine bessere Bohnenernte? Etwas, das uns das Leben erleichtern wird? Die Kinder länger leben lässt?« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe euren Kult um das geöffnete Auge lange genug verfolgt, um zu wissen, worum es den Paschos geht. Selbst die Keli, die euch verehren, konnten sich von euren tätowierten Fäusten keinerlei Hilfe erhoffen, als wir sie angegriffen haben. Wir Jai haben diese verweichlichten Wassermenschen wie Ziegen abgeschlachtet. Du bist kein Retter. Du bist unser Untergang. Verschwinde, Enkelsohn. Verlasse mein Haus. Was auch immer du sein magst, Jai bist du nicht.«
»Der Schlüssel zum Überleben ist das Schreiben. Eine Kultur mit einer Schrift kann sich erinnern und ihr Wissen überall verbreiten. Das erste Zeichen des Vollendeten muss demzufolge immer das Alphabet sein – der Schlüssel zu allem anderen Wissen. Mit einem Alphabet kann das, was ich heute aufschreibe, vielleicht noch in tausend Jahren von einem jungen Schüler gelernt werden, der nichts von mir weiß, außer dem, was ich niedergeschrieben habe. Wenn wir alle zu Staub zerfallen sind, wird unsere Gelehrsamkeit doch weiterleben, und wir hoffen, dass die Zivilisation mit der Zeit wieder aufblühen wird.«
Pascho Mirriam Milliner, CS 13.
(Über das Überleben)
R aphel wurde vom fortwährenden Zungenschnalzen seiner Mutter geweckt, von einem leisen Taptap irgendwo am Eingang.
Er hatte von Keli geträumt. Davon, dass er wieder vor den Bibliotheken der Paschos stand und zu Milliners Statue emporblickte. Träumend hatte er die Finger über die Hakenmesserscharten gleiten lassen, die den Sockel überzogen, und zum Gründer des Pascho-Ordens aufgeblickt, der flüchtend dargestellt war: Eine marmorne Hand war nach vorne ausgestreckt und zeigte das offene Auge der Paschos. Der andere Arm hielt einen Stapel zerrissener Seiten umklammert, die ihm entglitten. Sein Kopf schaute über die Schulter zurück zu der Zerstörung, vor der er fortlief.
Raphels Mutter schnalzte erneut mit der Zunge. Als Raphel die
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