Der Spieler (German Edition)
Heimlichtuerei?«
Lalji warf Creo einen kurzen Blick zu. »Du wirst gar nichts schleppen. Wir suchen nach einem Menschen. Einem Mann.«
Creo stieß einen ungläubigen Laut aus. Lalji machte sich nicht die Mühe zu antworten.
Schließlich gelangten sie an eine Kreuzung. In der Mitte lag ein alter kaputter Ampelkasten. Darum herum war der Asphalt aufgeplatzt, und Gras spross daraus hervor. Löwenzahnblüten reckten ihre gelben Köpfe. Auf der anderen Seite der Kreuzung erhob sich ein großes Backsteingebäude, die Ruine einer Behörde. Immerhin stand es noch – offenbar war es mit besseren Materialien gebaut worden als die Häuser der Leute, für die es da gewesen war.
Eine Cheshire glitt wie ein Schemen über eine von Unkraut überwucherte Wiese. Creo versuchte sie zu erschießen. Verfehlte sie.
Lalji betrachtete das Backsteingebäude. »Das ist es.«
Creo brummte etwas und schoss auf eine weitere Cheshire.
Lalji ging hinüber und untersuchte den kaputten Ampelkasten. Ob davon vielleicht noch irgendetwas zu gebrauchen war? Das Metall war verrostet. Er drehte sich langsam im Kreis und suchte seine Umgebung nach Dingen ab, die es wert wären, dass er sie den Fluss hinunter mitnahm. In manchen Ruinen aus der Zeit der Expansion stieß man noch auf brauchbare Sachen. Das Conoco-Schild hatte er in einem solchen Ort gefunden – in einer Vorstadt, die kurz darauf von SoyPRO verschlungen worden war. Es war noch vollkommen intakt gewesen, als wäre es nie im Freien montiert worden oder während der Kontraktion einem wütenden Pöbel in die Hände gefallen. Er hatte es einer AgriGen-Managerin verkauft und mehr dafür bekommen, als eine ganze geschmuggelte Ladung HiGro wert gewesen wäre.
Die Frau von AgriGen hatte gelacht, als sie das Schild gesehen hatte, und es bei sich an der Wand befestigt, zwischen all den anderen, unbedeutenderen Artefakten der Expansion: Plastikbechern, Computerbildschirmen, Fotos von Rennwagen, bunten Spielsachen. Sie hatte das Schild aufgehängt und dann gemurmelt, es habe eine Zeit gegeben, da sei Conoco ein mächtiger Konzern gewesen ... ein global agierender Konzern sogar.
Global.
Sie hatte das Wort mit fast sexuellem Verlangen ausgesprochen, als sie zu den rötlichen Polymeren des Schildes aufgeblickt hatte.
Global .
Einen Moment lang war Lalji ganz hingerissen gewesen von ihrer Vision: ein Unternehmen, das den abgelegensten Winkeln der Erde Energie entriss und nur Wochen später überall verkaufte; ein Unternehmen mit Kunden und Investoren auf jedem Kontinent, mit Managern, die Zeitzonen ebenso beiläufig überquerten wie Lalji die Gasse, um Shriram zu besuchen.
Die Frau von AgriGen hatte das Schild an ihrer Wand aufgehängt wie den Kopf eines Megodonten. Und wie er da neben einer Repräsentantin eines der mächtigsten Energiekonzerne der Welt stand, hatte Lalji eine plötzliche Traurigkeit überkommen. Wie klein die Menschheit doch geworden war!
Lalji schüttelte die Erinnerung ab, wandte sich wieder der Kreuzung zu und suchte nach Anzeichen dafür, dass sich sein Passagier hier irgendwo verborgen hielt. Zwischen den Ruinen tauchten immer mehr Cheshire auf; gespenstisch schillernd tanzten sie am Sonnenlicht vorbei und verschwanden in den Schatten. Creo feuerte mit seiner Federpistole und verschoss Scheiben. Eine flirrende Gestalt blieb reglos liegen und wurde zu einem verfilzten Bündel aus Fell und Blut.
Creo spannte seine Federpistole. »Und wo steckt dieser Kerl jetzt?«
»Der wird schon kommen, denke ich. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen.« Lalji stieg die Stufen zum Eingang des Backsteingebäudes hinauf und schlüpfte durch die Türen, die schief in den Angeln hingen. Im Inneren gab es nichts außer Staub, Düsternis und Vogelkot. Er schaute sich kurz um und erklomm dann eine Treppe, bis er ein Fenster entdeckte. Eine Windbö rüttelte an der geborstenen Scheibe und zupfte an seinem Schnurrbart. Ein Krähenpaar zog am blauen Himmel seine Kreise. Unter ihm spannte Creo die Federpistole und schoss weiter auf schemenhafte Cheshire. Wenn er sie traf, hallte ein wütendes Jaulen zu Lalji herauf. Blut spritzte über das von Unkraut überwucherte Pflaster, und immer mehr Tiere ergriffen die Flucht.
In der Ferne fielen die Randgebiete des Ortes bereits der Landwirtschaft zum Opfer. Lange würden sich die Häuser nicht mehr halten. Sie würden untergepflügt werden, bis makellose SoyPRO-Felder alles bedeckten. Die Geschichte dieser Siedlung würde, so unbedeutend und
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