Der Spieler (German Edition)
schlängelte sich flussaufwärts zwischen den Kähnen hindurch. Die Kontrolleure musterten ihn misstrauisch, während sie vorbeirasten. Lalji bekam eine Gänsehaut. War die Sache das wert? Wenn er zu viel darüber nachdachte, verneinte sein Geschäftssinn – nach Jahrtausenden währender Kastentradition angeboren – diese Frage. Andererseits war da noch Gita. Wenn er jedes Jahr am Lichterfest seine Konten ausglich, warum schuldete er ihr dann noch so viel? Wie bezahlte man für etwas, das weit schwerer wog als alle seine Profite, in all seinen Leben?
Der Weizen von TotalNutrient schlingerte vorbei – und ließ ihn ohne Antwort zurück.
Du wolltest wissen, ob es etwas gibt, wofür du den weiten Weg flussaufwärts auf dich nehmen sollst.«
Lalji und Shriram hatten im Aufziehraum von Ganesha Kinetic gestanden und zugeschaut, wie eine vom Laster gefallene Tonne SuperFlavour zu Joule verbrannte. Shrirams Megodontenpaar stemmte sich gegen die Aufziehspindeln; in gleichmäßigem, behäbigen Rhythmus verwandelten sie die gerade erst gefressenen Kalorien in kinetische Energie und zogen die Hauptspeicherfedern der Firma auf.
Priti und Bidi. Die gewaltigen Tiere sahen den Elefanten ähnlich, deren DNA sie nachgebildet waren. Genfledderer hatten sie so lange verbessert, bis sie ein vollkommenes Gleichgewicht aus Muskulatur und Hunger darstellten, und das zu einem einzigen Zweck: Kalorien aufzunehmen und dafür Schwerstarbeit zu verrichten, ohne aufzubegehren. Ihr Geruch war übermächtig. Ihr Rüssel schleifte über den Boden.
Die Tiere werden allmählich alt, dachte Lalji bei sich, und auf diesen Gedanken folgte der nächste: Auch er wurde alt. Jeden Morgen entdeckte er wieder neue graue Haare in seinem Schnurrbart. Natürlich zupfte er sie aus, aber ebenso schnell wuchsen sie nach. Und jetzt taten ihm morgens auch noch die Gelenke weh. Shrirams Kopf glänzte wie poliertes Teakholz. Er hatte im Laufe der Zeit eine Glatze bekommen und war fett geworden. Lalji fragte sich, wann genau sie sich in alte Männer verwandelt hatten.
Shriram wiederholte seine Bemerkung, und Lalji schüttelte seine Gedanken ab. »Nein, ich bin an nichts interessiert, was sich flussaufwärts befindet. Das ist die Domäne der Kalorienkonzerne. Ich habe mich damit abgefunden, dass du meine Asche in den Mississippi streuen wirst und nicht in den heiligen Ganges, aber so wild bin ich auf das nächste Leben dann doch nicht, dass meine Leiche von Iowa bis hierher geschwemmt werden muss.«
Shriram rang nervös die Hände und sah sich um. Dann senkte er die Stimme, obwohl das stete Ächzen der Spindeln allemal laut genug war, um ihr Gespräch zu übertönen. »Bitte, mein Freund, es gibt Leute ... die diesen Mann ... töten wollen.«
»Und was geht mich das an?«
Shriram machte eine beschwichtigende Geste. »Er weiß, wie man Kalorien macht. AgriGen sucht verzweifelt nach ihm. PurCal genauso. Aber er hat sich von ihnen und ihresgleichen losgesagt. Sein Wissen ist sehr wertvoll. Er braucht jemand Vertrauenswürdigen, der ihn flussabwärts bringt. Jemand, der für die Kontrolleure nichts übrig hat.«
»Und nur weil er sich mit AgriGen angelegt hat, soll ich ihm helfen? Einem ehemaligen Mitglied der Des-Moines-Clique? Irgendeinem Kalorienmann mit Blut an den Händen, von dem du glaubst, er macht dich reich?«
Shriram schüttelte den Kopf. »Du sagst das, als wäre er unrein!«
»Wir reden hier von einem Genfledderer, oder? Was meinst du, wie es wohl um seine Moral steht?«
»Genetiker, nicht Genfledderer. Den Genetikern haben wir auch die Megodonten zu verdanken.« Er deutete auf Priti und Bidi. »Meinen Lebensunterhalt.«
Lalji wandte sich zu Shriram um und sah ihn wütend an. »Was soll diese Wortklauberei? Du wärst in Chennai fast verhungert, als die genmanipulierten japanischen Rüsselkäfer plötzlich allgegenwärtig waren! Als sich der Ackerboden in Alkohol verwandelte! Bevor U-Tex und HiGro und all die anderen genau zur rechten Zeit auftauchten! Du hast doch im Hafen gewartet, als die Saaten eintrafen, und musstest mit ansehen, wie sie hinter bewachten Zäunen gelagert wurden, bis Leute kamen, die reich genug waren! Warum sollte ich mich mit denen einlassen? Eher würde ich auf diesen Kalorienmann spucken. Sollen ihn doch die Teufel von PurCal holen!«
Die Vorortsiedlung war genauso, wie Shriram sie beschrieben hatte. Pappeln und Weiden säumten das Ufer, und das Gerippe einer Brücke spannte sich über den Fluss. Lalji und Creo
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