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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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Schließlich befinden sie sich im Industriegebiet der Farang , und Ma arbeitet für die fremden Teufel. Als Buchhalter in einer Spannfederfabrik. SpringLife. Ja, SpringLife. Deswegen ist es ganz normal, dass Ma hier ist und sich von einer Fahrradrikscha zur Arbeit kutschieren lässt.
    »Ma Ping«, sagt Li Shen. »Ich hab gehört, dass er jetzt im obersten Stockwerk wohnt. Ganz oben beim Kadaverkönig höchstpersönlich.«
    Tranh verzieht wütend das Gesicht. »Den hab ich mal rausgeschmissen. Vor zehntausend Jahren. Er war faul und hat Gelder veruntreut.«
    »Er ist unglaublich fett geworden.«
    »Ich bin seiner Frau begegnet«, sagt Hu, »und seinen Söhnen. Sie haben alle ganz schön was auf den Rippen. Sie essen jeden Abend Fleisch. Die Jungen sind noch fetter als er. Randvoll mit U-Tex-Proteinen.«
    »Du übertreibst.«
    »Fetter als wir jedenfalls.«
    Lao Xia kratzt sich die Rippen. »Ein Bambusrohr ist fetter als du.«
    Tranh schaut zu, wie Ma Ping ein Tor öffnet und in der Fabrik verschwindet. Besser, er lässt die Vergangenheit ruhen, sonst verliert er noch den Verstand. Für ihn gibt es da nichts mehr zu holen – keine Armbanduhren, keine Konkubinen, keine Opiumpfeifen oder Jadeskulpturen der barmherzigen Guanyin. Keine prächtigen Klipper fahren mehr mit einem Vermögen in den Frachträumen in die Häfen ein. Er schüttelt den Kopf und gibt Hu die fast zu Ende gerauchte Zigarette, damit dieser den Tabak für den späteren Gebrauch aufbewahren kann. In der Vergangenheit gibt es für ihn nichts zu holen. Ma ist Teil dieser Vergangenheit. Die ›Drei Reichtümer‹ sind Teil dieser Vergangenheit. Je eher er das begreift, umso eher wird es ihm gelingen, aus diesem entsetzlichen Abgrund zu klettern.
    Hinter sich hört er einen Mann rufen: » Wei! Glatzkopf! Wann haben Sie sich denn vorgedrängelt? Machen Sie, dass Sie nach hinten kommen! Sie müssen genauso anstehen wie wir anderen auch.«
    »Anstehen?«, brüllt Lao Xia zurück. »Reden Sie keinen Unsinn!« Er macht eine Handbewegung, die die Schlange vor ihnen umfasst. »Wie viele Hunderte stehen da schon an? Es spielt überhaupt keine Rolle, wo er steht.«
    Immer mehr Leute beginnen sich zu beschweren. »Stellen Sie sich an! Pai dui! Pai dui! « Fast entsteht so etwas wie ein Tumult, und Polizisten kommen, Schlagstöcke schwingend, herbeigeschlendert. Es sind keine Weißhemden, aber für hungrige Yellow Cards haben sie trotzdem nichts übrig.
    Tranh hebt beschwichtigend die Hände. »Natürlich, natürlich. Ich stelle mich an. Das ist doch völlig egal.« Er verabschiedet sich und stapft alleine die endlose Schlange von Yellow Cards entlang.
    Lange bevor er ihr Ende erreicht, spricht sich herum, dass die offenen Stellen bereits vergeben sind.
     
    Wenn er nicht verhungern will, muss er heute Nacht in den Abfällen nach etwas Essbarem suchen. Tranh schleicht durch dunkle Gassen. In das hoch aufragende Gefängnis der Hochhäuser möchte er so bald nicht zurückkehren. Teufelskatzen stieben fauchend vor ihm auseinander, ihr Fell ein Gemisch ineinander zerfließender Farben. Die Lichter der Methanlampen flackern, brennen herab und gehen schließlich aus. Die Stadt versinkt in Finsternis. Überall stinkt es nach fauligem Obst und Gemüse. Die Marktstände sind leer. An einer Straßenecke wiegen sich Schauspieler in rhythmischen Kadenzen und erzählen Geschichten über Ravana. Megodonten schlurfen, auf dem Weg von oder zu ihrer Schicht, eine Hauptverkehrsstraße entlang, graue Gebirge, die ihren gewerkschaftlich organisierten Führern in den goldbetressten Uniformen folgen.
    In den Gassen machen Kinder mit funkelnden Messern Jagd auf unvorsichtige Yellow Cards und betrunkene Thais, aber Tranh ist auf der Hut vor ihnen. Vor einem Jahr noch hätte er sie nicht einmal bemerkt, aber inzwischen hat sein Überlebensinstinkt seine Sinne geschärft. Kreaturen wie sie sind nicht schlimmer als Haie: Sie sind nur allzu berechenbar, und es ist nicht schwer, ihnen aus dem Weg zu gehen. Nicht die augenfälligen Raubtiere sind es, vor denen Tranh sich fürchtet, sondern die Chamäleons, die gewöhnlichen Leute, die arbeiten und einkaufen und lächeln und sich freundlich verbeugen – und plötzlich ohne Vorwarnung randalieren.
    Er wühlt in den Abfallhaufen, wobei er sich mit den Teufelskatzen um die Kalorien streiten muss. Wäre er doch nur schnell genug, um eines dieser fast unsichtbaren Tiere zu fangen und zu töten! Er hebt einige Mangos auf, untersucht sie ganz genau,

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