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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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, die für Farang schuften möchten. Die Hitze brennt unbarmherzig auf die Menschen herab, die vor den Toren warten.
    »Wah! Du siehst aber schick aus, mein Freund!«
    Tranh zuckt zusammen. Li Shen und Hu Laoshi und Lao Xia stehen gemeinsam in der Schlange – drei alte Männer, die einen ebenso jämmerlichen Eindruck machen wie er selbst. Hu winkt ihm mit einer frisch gerollten Zigarette einladend zu und bedeutet ihm, sich ihnen anzuschließen. Tranh fängt fast an zu zittern, als er den Tabak sieht, zwingt sich jedoch abzulehnen. Zweimal wiederholt Hu sein Angebot, bis Tranh sich gestattet, es anzunehmen, dankbar dafür, dass Hu es ernst meint. Allerdings fragt er sich auch, woher Hu seinen plötzlichen Reichtum hat. Andererseits, Hu ist der Stärkste von ihnen. Wenn man schnell genug einen Karren belädt, kann man durchaus etwas verdienen.
    Tranh wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Das sind aber eine Menge Bewerber!«
    Alle lachen über seine Bestürzung.
    Hu zündet Tranh die Zigarette an. »Hast du gedacht, du wüsstest als Einziger davon?«
    Tranh zuckt mit den Schultern, inhaliert tief und reicht die Zigarette an Lao Xia weiter. »War eh nur ein Gerücht. Kartoffelgott hat erzählt, der Sohn seines älteren Bruders sei befördert worden. Da dachte ich mir, vielleicht ist in einer Nische unter ihm etwas frei geworden und ich könnte den Platz seines Neffen einnehmen.«
    Hu grinst. »Genau das habe ich auch gehört. ›Eee, er wird reich sein! Fünfzehn Angestellte wird er unter sich haben. Eee, er wird reich sein! Und ich werde vielleicht einer dieser fünfzehn Angestellten sein.‹«
    »Zumindest war an dem Gerücht was dran«, sagte Lao Xia. »Und nicht nur der Neffe von Kartoffelgott ist befördert worden.« Er kratzt sich am Hinterkopf, eine krampfartige Bewegung, wie ein Hund, der von Flöhen geplagt wird. Graue fa’ gan -Wucherungen verstecken sich in der Beuge seines Ellenbogens und lugen hinter seinen Ohren hervor, wo ihm die Haare ausgegangen sind. Manchmal reißt er Witze darüber: Nichts, was ein wenig Geld nicht heilen könnte! Ein guter Witz. Aber heute kratzt er sich unentwegt, und die Haut hinter seinen Ohren ist rissig und wund. Als er bemerkt, dass ihn alle beobachten, lässt er sofort die Hand sinken, zieht eine Grimasse und reicht die Zigarette an Li Shen weiter.
    »Wie viele freie Arbeitsplätze?«, fragt Tranh.
    »Drei. Drei Angestellte suchen sie.«
    Tranh beißt sich auf die Lippen. »Meine Glückszahl.«
    Li Shen späht durch seine dicken Brillengläser die Schlange hinauf. »Das sind zu viele, selbst wenn deine Glückszahl 555 ist.«
    Lao Xia lacht. »Wir vier sind schon zu viele.« Er tippt dem Mann, der vor ihnen in der Schlange steht, auf die Schulter. »Onkel. Was für einen Beruf hatten Sie früher?«
    Der Fremde dreht sich überrascht zu ihnen um. Nach seinem Gelehrtenkragen zu urteilen war er einmal ein vornehmer Mann, aber jetzt sind seine Lederschuhe zerkratzt und nur notdürftig mit Holzkohle geschwärzt. »Ich habe Physik unterrichtet.«
    Lao Xia nickt. »Seht ihr? Wir sind alle überqualifiziert. Ich habe eine Kautschukplantage geleitet. Unser Professor hier hat einen Abschluss in Strömungsmechanik und Werkstofftechnik. Hu war ein ausgezeichneter Arzt. Von unserem Freund mit den ›Drei Reichtümern‹ ganz zu schweigen! Das war nicht nur ein einfaches Handelsunternehmen, das war schon fast ein multinationaler Konzern.« Er lässt sich das Wort auf der Zunge zergehen. Wiederholt es. »Multinational!« Ein seltsames, verführerisches Wort, dem Macht innewohnt.
    Tranh senkt verlegen den Kopf. »Du übertreibst.«
    » Fang pi .« Hu zieht an der Zigarette und lässt sie wieder kreisen. »Von uns allen warst du der Reichste. Und jetzt sind wir hier und bemühen uns um einen Job, den jüngere Leute bekommen sollten. Jeder von uns zehntausendmal überqualifiziert.«
    »Ich war Rechtsberater der Geschäftsführung von Standard & Commerce«, mischt sich der Mann hinter ihnen ein.
    Lao Xia verzieht das Gesicht. »Wen interessiert das, du Idiot? Jetzt bist du genauso auf den Hund gekommen wie wir.«
    Der Jurist wendet sich beleidigt ab. Lao Xia grinst, inhaliert genüsslich den Rauch und reicht die Zigarette an Tranh weiter. Als dieser sie zum Mund führt, stupst er ihn an. »Schau mal! Da ist der gute alte Ma.«
    Tranh folgt seinem Blick und hält vor Überraschung den Atem an. Im ersten Moment glaubt er, dass Ma ihm gefolgt ist. Aber nein, das ist bestimmt nur Zufall.

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