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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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panische Furcht kaum bezwingen.
    Bangkok ist nicht Malakka, sagt er sich immer wieder. Bangkok ist nicht Penang. Wir haben keine Frauen mehr, keine Klipperflotten und keine goldenen, mit Diamanten besetzten Armbanduhren. Sie können uns nichts mehr wegnehmen. Fragt doch die Schlepper, die mich hinter der Grenze im Dschungel zurückgelassen haben! Sie haben mir alles abgenommen. Ich habe nichts mehr. Ich bin kein Tiger. Ich bin hier sicher.
    Ein paar Sekunden lang glaubt er das sogar. Doch dann köpft ein teakbrauner Junge mit einer rostigen Machete eine Kokosnuss und hält sie Tranh lächelnd hin, und er muss sich furchtbar zusammenreißen, um nicht schreiend davonzurennen.
    Bangkok ist nicht Malakka. Hier werden sie nicht deine Lagerhäuser niederbrennen oder deine Angestellten in kleine Stücke hauen und an die Haie verfüttern. Er wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Vielleicht hätte er sich den Anzug erst später anziehen sollen. Er erregt zu viel Aufsehen. Überall starren die Leute ihn an. Es ist besser, sich wie eine Teufelskatze seiner Umgebung anzupassen und in sicherer Anonymität durch die Stadt zu schleichen, statt wie ein Pfau herumzustolzieren.
    Langsam verändern sich die Straßen; die Palmenalleen weichen dem unbebauten Brachland des neuen Ausländerviertels. Tranh eilt dem Fluss entgegen, immer tiefer in das Industriegebiet der weißen Farang hinein.
    Gweilo, Yang Guizi, Farang. So viele verschiedene Wörter in ebenso vielen Sprachen für diese schwitzenden Affen mit der durchscheinenden Haut. Vor zwei Generationen, als das Öl ausging und die Fabriken der Gweilo schlossen, waren alle der Meinung, dass sie für immer verschwinden würden. Aber jetzt sind sie wieder da. Die Ungeheuer der Vergangenheit sind zurückgekehrt, mit neuen Spielsachen und neuen Technologien. Die Ungeheuer, mit denen seine Mutter ihm Angst eingejagt hat, suchen die Küste Asiens heim. Dämonen allesamt, unsterbliche Dämonen.
    Und er ist unterwegs, um ihnen zu huldigen: AgriGen, PurCal und ihresgleichen, mit ihrem Monopol auf U-Tex-Reis und TotalNutrient-Weizen; den Blutsbrüdern der Gentechniker, die – nach einer Vorlage aus einem Kinderbuch! – die Teufelskatzen in die Welt gesetzt haben, wo sie sich nun in einem fort vermehren; den Geldgebern der Lizenzkontrolleure, die an Bord seiner Klipper kamen und nach Verstößen gegen »geistiges Eigentum« suchten, die wie Wölfe Jagd auf unlizenzierte Kalorien und gengefleddertes Getreide machten, als wären ihre maßgeschneiderten Cibiskose- und Rostwelke-Seuchen noch nicht genug, um für hohe Profite zu sorgen ...
    Ein Stück die Straße hinauf herrscht dichtes Gedränge. Tranh rennt los, zwingt sich jedoch sofort wieder, langsam zu gehen. Besser jetzt keine Kalorien verschwenden. Vor der Fabrik der Brüder Tennyson hat sich bereits eine Schlange gebildet. Sie ist fast ein Li lang, windet sich um die Ecke, vorbei an dem Fahrrad-Logo im schmiedeeisernen Tor der Sukhumwit Research Corporation, vorbei an den ineinander verschlungenen Drachen von PurCal East Asia und vorbei an Mishimoto & Co., der cleveren Hydrodynamikfirma, von der Tranh früher das Design seiner Klipper hatte.
    Mishimoto beschäftigt importierte Aufzieharbeiter, heißt es. Illegale, genmanipulierte »Menschen«, die herumlaufen und reden können, allerdings mit seltsam ruckartigen Bewegungen. Und die den echten Menschen den Reis aus der Schüssel essen. Kreaturen mit bis zu acht Armen wie Hindu-Gottheiten, Kreaturen ohne Beine, damit sie nicht weglaufen können, Kreaturen mit Augen so groß wie Teetassen, die nur sehen, was sich direkt vor ihnen befindet, sich dafür aber allem mit größter Aufmerksamkeit widmen. Doch niemand kann in das Fabrikgebäude hineinschauen, und wenn die Weißhemden des Umweltministeriums etwas wissen, dann bezahlen die cleveren Japaner sie gut, damit sie ihren Verbrechen gegen die Biologie und gegen die Religion keine Beachtung schenken. Das ist vielleicht das Einzige, worüber sich ein guter Buddhist und ein guter Muslim und vielleicht sogar ein Farang einig sind – Aufziehmenschen haben keine Seele.
    Als Tranh damals seine Klipper von Mishimoto gekauft hat, war ihm das gleichgültig. Jetzt fragt er sich, ob hinter diesen hoch aufragenden Toren nicht vielleicht Ungeheuer aus der Retorte arbeiten, während Yellow Cards davorstehen und betteln.
    Tranh stapft die Schlange entlang. Polizisten mit Schlagstöcken überwachen die Arbeitssuchenden und reißen dabei Witze über Farang

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