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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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inne, lächelt. »Es geht um Kulaap. Ein Interview.«
    Ich hole tief Luft. Die Frau aus meinem Heimatland, hier in Amerika. Sie konnte ebenfalls während der Säuberungen fliehen. Sie war gerade für Filmaufnahmen in Singapur, als die Panzer anrollten, und entkam so der Falle. Sie war damals schon in ganz Asien berühmt, und so nahm die Welt Anteil, als Khamsing unser Land in ein schwarzes Loch verwandelte. Jetzt ist sie auch hier in Amerika berühmt. Wunderschön! Und sie erinnert sich an unser Land, bevor es dort dunkel wurde. Ich spüre mein Herz klopfen.
    Marty fährt fort. »Sie hat mir ein Exklusiv-Interview zugesagt. Aber du sprichst sogar ihre Sprache, also wird sie wohl mit einem Tausch einverstanden sein.« Er verstummt und mustert mich mit ernstem Blick. »Ich habe schon länger einen guten Draht zu Kulaap. Sie gibt nicht einfach jedem ein Interview. Ich habe eine Menge großer Geschichten mit ihr gemacht, als Laos vor die Hunde ging. Hat ihr viel gute Presse eingebracht. Das jetzt ist eine besondere Gefälligkeit, also bau keinen Scheiß.«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein. Werde ich nicht.« Ich lege die Handflächen aneinander und berühre für ein anerkennendes Nop meine Stirn. »Ich werde keinen Scheiß bauen.« Ich vollführe noch ein Nop .
    Er lacht. »Komm mir nicht mit diesen Höflichkeiten. Janice würde dir die Eier abreißen, um den Kurs in die Höhe zu treiben, aber wir beide sind die Kerle in den Schützengräben. Wir halten zusammen, okay?«
     
    Am Morgen mache ich mir eine Kanne starken Kaffee mit Kondensmilch; ich koche Reisnudelsuppe und füge Sojasprossen und sauer eingelegte Chilis hinzu; dazu gibt es Weißbrot, das ich bei einer vietnamesischen Bäckerei einige Straßen weiter kaufe. Aus der Stereoanlage ertönt ein neuer Kulaap-Mix von DJ Dao, und ich sitze an meinem kleinen Küchentisch, gieße mir Kaffee ein und klappe mein Tablet auf.
    Das Tablet ist eine wundervolle Erfindung. In Laos war eine Zeitung noch aus Papier, ein fassbares Objekt, statisch und mit nichts darin als offiziellen Nachrichten. Echte Nachrichten wurden in unserem Neuen Himmlischen Königreich nicht über die Zeitungen oder das Fernsehen verbreitet und nicht über die Telefonleitungen. Sie kamen auch nicht aus dem Netz oder durch die Feeds, solange man sich nicht sicher war, dass der Nachbar im Internetcafé einem nicht über die Schulter schaute, oder man nicht wusste, ob neben einem jemand von der Geheimpolizei saß, oder ob nicht der Betreiber einen identifizieren würde, wenn sie vorbeikamen und nach der Person fragten, die an diesem oder jenem Computerplatz mit dem Ausland kommuniziert hatte.
    Echte Neuigkeiten wurden durch geflüsterte Gerüchte weitergetragen und nach dem Vertrauen bemessen, das man den Flüsternden entgegenbrachte. Waren es Verwandte? Kannte man sie schon lange? Hatten sie durch die Informationen etwas zu gewinnen? Mein Vater und seine alten Klassenkameraden vertrauten einander. Er vertraute auch einigen seiner Studenten. Vermutlich ist das der Grund, warum am Ende die Geheimpolizei zu uns kam. Einer seiner engen Freunde oder Studenten hatte auch einen offiziellen Freund, dem er Dinge zuflüsterte. Vielleicht Mr Inthachak oder Som Vang. Vielleicht auch jemand anderes. Es ist unmöglich, in die dunkle Vergangenheit zu blicken und zu erraten, wer wahre Geschichten erzählte und wem er sie erzählte.
    Auf jeden Fall war es das Karma meines Vaters, verhaftet zu werden, also spielt es vielleicht auch keine Rolle, wer da geflüstert hat. Aber davor – bevor die Nachrichten über meinen Vater offizielle Ohren erreichten – erreichte keine der echten Neuigkeiten jemals das Fernsehen von Laos oder die Vientiane Times . Daher konnten wir, als mein Vater mit blutig geschlagenem Gesicht zur Tür hereinkam, in aller Ausführlichkeit über die dreitausend Schulkinder lesen, die die Nationalhymne für unseren neuen Gottkönig gesungen hatten. Während mein Vater vor lauter Schmerzen im Delirium lag, berichteten die Zeitungen von einem Vertragsabschluss mit China, der die Einnahmen der Kautschukproduktion in der Provinz Luang Namtha verdreifachte, und dass der Nam Theung-Damm jetzt jährlich 22,5 Milliarden Dollar an Stromgebühren aus Thailand einbrachte. Von blutigen Schlagstöcken war jedoch nicht die Rede, und es gab auch keine toten Mönche und keinen Mercedes Benz, der brennend den Fluss hinunter in Richtung Kambodscha trieb.
    Echte Neuigkeiten kamen in Gestalt geflügelter Gerüchte, stahlen

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