Der Spieler (German Edition)
Freunde.«
Ich würde gerne erzählen, dass mein Vater etwas Großartiges sagte. Etwas Ehrenhaftes, etwas über die Auflehnung gegen die Tyrannei. Dass er sich vielleicht auf eines seiner Idole berief, auf Aung Sung Kyi oder Sacharow, oder Mr Henry David, der so konsequent für seine Überzeugungen eingetreten war. Aber er sagte nichts. Er saß nur da, die Hände auf den Knien, und blickte auf das zerrissene Flüsterblatt. Heute denke ich, dass er große Angst gehabt haben muss. Davor war er nie um Worte verlegen gewesen. Stattdessen tat er nichts weiter als noch einmal zu wiederholen: »Das wäre schwierig.«
Der Hauptmann wartete. Als offensichtlich wurde, dass mein Vater nichts weiter zu sagen hatte, setzte er seine Kaffeetasse ab und winkte seine Männer herein. Sie waren alle sehr höflich. Ich glaube, der Hauptmann entschuldigte sich sogar bei meiner Mutter, als sie ihn abführten.
Es ist der dritte Tag, seit sich die Goldgrube Double DP aufgetan hat, und die grüne Sonne scheint hell über uns allen und taucht uns in ihr beruhigendes, profitables Licht. Ich arbeite an meiner neuesten Geschichte, meine Frontal Lobe -Stecker in den Ohren, und sperre alles aus, was nicht unmittelbar meine Arbeit betrifft. Wie immer ist es nicht leicht, in meiner Drittsprache zu schreiben, doch meine Lieblingssängerin, die aus dem gleichen Land stammt wie ich, flüstert mir »Die Liebe ist ein Vogel« ins Ohr, und ich komme gut voran. Wenn Kulaap in der Sprache meiner Kindheit zu mir singt, dann fühle ich mich wie zu Hause.
Jemand tippt mir auf die Schulter. Ich ziehe die Ohrstecker heraus und drehe mich um. Janice steht hinter mir. »Ong, ich muss mit dir sprechen.« Sie bedeutet mir, ihr zu folgen.
In ihrem Büro schließt sie hinter mir die Tür und geht zu ihrem Schreibtisch. »Setz dich, Ong.« Sie tippt etwas auf ihrem Tablet, scrollt durch Zahlen. »Wie läuft es bei dir?«
»Sehr gut. Danke.« Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch mehr sagen soll, aber vermutlich wird sie mir das sagen. Amerikaner lassen nicht viel im Unklaren.
»Woran arbeitest du gerade?«, fragt sie.
Ich lächle. Ich mag diese Geschichte, sie erinnert mich an meinen Vater. Und mit Kulaaps sanfter Stimme im Ohr habe ich bereits den Großteil der Recherche abgeschlossen. Das Porzellansternchen, eine Blume, die durch Mr Henry David Thoreaus Schriften berühmt geworden ist, blüht zu früh, um bestäubt zu werden. Die Bienen scheinen sie nicht zu finden, wenn sie im März blüht. Den Wissenschaftlern zufolge, die ich interviewt habe, liegt das an der Klimaerwärmung, die Blume ist inzwischen vom Aussterben bedroht. Ich habe Biologen und ortsansässige Naturforscher interviewt, und nun würde ich am liebsten zum Walden Pond pilgern, nur wegen dieser Blume, die bald im staatlichen Konservierungslabor verschwinden wird, mit seinen Technikern in Reinraumanzügen und den forensischen Saugern.
Ich beschreibe meine Geschichte, und als ich am Ende angelangt bin, sieht mich Janice an, als ob ich verrückt geworden sei. Es ist offensichtlich, dass sie mich für verrückt hält, denn ich sehe es ihr an. Und außerdem sagt sie es mir.
»Du bist ja völlig meschugge!«
Amerikaner sind sehr direkt. Es ist nicht leicht, das Gesicht zu wahren, wenn sie einen so anschreien. Manchmal denke ich, dass ich mich schon ganz gut angepasst habe. Ich lebe jetzt seit fünf Jahren hier, seit ich mithilfe eines Stipendiums aus Thailand gekommen bin; doch in Momenten wie diesem kann ich nichts weiter tun als zu lächeln und Haltung zu bewahren, während sie herumbrüllen und sich aufregen. Mein Vater ist einmal von einem Beamten mit dem Schuh ins Gesicht getreten worden, und doch hat er seinen Zorn nicht gezeigt. Aber Janice ist Amerikanerin, und sie ist äußerst zornig.
»Das kommt überhaupt nicht infrage, so eine Reise würde bei mir nie durchgehn!«
Ich versuche gegen ihren Zorn anzulächeln, doch dann fällt mir wieder ein, dass Amerikaner ein entschuldigendes Lächeln nicht so verstehen, wie ein Laote das würde. Ich höre auf zu lächeln und versuche irgendwie ... anders auszusehen. Ernsthaft, so hoffe ich.
»Die Geschichte ist sehr wichtig«, sage ich. »Das Ökosystem passt sich nicht richtig an den Klimawandel an. Stattdessen hat es seine ...« Ich suche nach einem Wort. »Seine Synchronizität verloren. Diese Wissenschaftler glauben, dass sie die Blume retten können, aber nur wenn sie eine Biene importieren, die in der Türkei vorkommt. Sie glauben, dass
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