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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Verdacht, daß er gestern abend mit dem Franzosen hart aneinandergeraten war. Sie hatten lange und hitzig hinter verschlossenen Türen diskutiert. Der Franzose verließ ihn sichtlich gereizt und hatte heute frühmorgens den General wiederum aufgesucht – wahrscheinlich, um das gestrige Gespräch fortzusetzen. Nachdem der Franzose sich angehört hatte, daß ich gespielt und verloren hatte, bemerkte er bissig, sogar boshaft, daß ich vernünftiger sein solle. Ich weiß nicht, warum er hinzufügte, daß – obwohl viele unter den Russen spielten – sie, die Russen, seiner Meinung nach für das Spiel nicht einmal begabt seien.
    »Und meiner Meinung nach ist das Roulette gerade für die Russen erfunden worden«, sagte ich und bemerkte, als der Franzose auf meine Erwiderung verächtlich lächelte, daß die Wahrheit augenscheinlich auf meiner Seite sei, weil ich, sobald ich über die Russen als Spieler spräche, sie wesentlich häufiger rügte als lobte und mich damit als glaubwürdig erweise.
    »Und wie begründen Sie Ihre Meinung?« fragte der Franzose.
    »Damit, daß im Katechismus der Tugenden und Vorzüge des zivilisierten westlichen Menschen die Fähigkeit des Kapitalerwerbs historisch beinahe zum Hauptpunkt geworden ist. Der Russe aber ist nicht nur unfähig, Kapital zu erwerben, sondern er verschwendet es sinnlos und chaotisch. Nichtsdestotrotz sind wir Russen ebenfalls auf Geld angewiesen«, fügte ich hinzu, »folglich sind für uns solche Möglichkeiten wie, zum Beispiel, das Roulettespiel sehr begrüßenswert und sehr willkommen, um plötzlich reich zu werden, innerhalb von zwei Stunden, ohne jede Anstrengung. Das ist für uns sehr verlockend; da wir aber leichtfertig spielen, mühelos, verspielen wir es eben so!«
    »Das ist nicht ganz falsch«, bemerkte der Franzose selbstzufrieden.
    »Nein, das ist falsch, und Sie sollten sich schämen, sich auf diese Weise über Ihr Vaterland zu äußern«, bemerkte der General streng und mit Nachdruck.
    »Ich bitte Sie«, nun wandte ich mich an ihn, »wirklich, es steht doch noch gar nicht fest, was schlimmer ist, russisches Chaos oder die deutsche Methode des Kapitalerwerbs durch anständige Arbeit.«
    »Was für ein chaotischer Gedanke!« rief der General.
    »Was für ein russischer Gedanke!« rief der Franzose.
    Ich lachte, ich hatte eine schreckliche Lust, sie ordentlich zu reizen.
    »Und ich würde lieber mein Leben lang in einer kirgisischen Jurte nomadisieren«, brachte ich vor, »als den deutschen Götzen anbeten.«
    »Was für einen Götzen?« fuhr der General hoch, der sich inzwischen wirklich ärgerte.
    »Die deutsche Methode, Reichtümer zusammenzusparen. Ich bin noch nicht lange hier, aber dennoch geht das, was ich hier bereits beobachten und überprüfen konnte, dem Tataren in mir gegen den Strich. Bei Gott, ich verzichte auf solche Tugenden! Ich bin gestern schon an die zehn Werst im Umkreis gelaufen. Nun, alles haargenau so wie in den erbaulichen deutschen Bilderbüchlein: überall, in jedem Haus ein ›Fater‹, schrecklich tugendhaft und unglaublich ehrbar. Dermaßen ehrbar, daß man sich scheut, ihm näherzutreten. Ich kann die Ehrbaren, die einem Schrecken einjagen, nicht ausstehen. Ein jeder solcher ›Fater‹ hat eine Familie, und abends wird aus belehrenden Büchern vorgelesen. Über dem Häuschen rauschen Ulmen und Kastanien. Sonnenuntergang, ein Storch auf dem Dach, und das alles ungemein poetisch und rührend …
    Ärgern Sie sich nicht, General, gestatten Sie mir lieber, möglichst rührend zu erzählen. Ich selbst erinnere mich noch ganz genau, wie mein Vater, mein seliger Vater, ebenfalls unter jungen Linden, im Vorgarten abends mir und meiner Mutter aus ähnlichen Büchern vorlas … Also steht mir ein eigenes Urteil darüber zu. Und hier lebt eine jede solche Familie völlig ergeben in den Willen des Vaters. Alle schuften wie Jochochsen, und alle sparen das Geld wie die Juden. Der ›Fater‹, zum Beispiel, hat so und so viele Gulden gespart, um sie seinem Ältesten zu vererben, um ihm zu einem Handwerk oder einem Stück Land zu verhelfen; deshalb bekommt die Tochter keine Mitgift, folglich bleibt sie sitzen. Deshalb wird der Jüngste als Knecht oder als Soldat verkauft, worauf das Geld dem Familienvermögen zugeschlagen wird. Tatsächlich, so wird hier verfahren; ich habe Erkundigungen eingezogen. Das alles geschieht nicht anders als aus Ehrbarkeit, aus übermäßiger Redlichkeit, so weit, daß der Jüngste, der verkaufte Sohn,

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