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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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ganz besonders unverschämt. Sind Sie vielleicht betrunken?«
    »Sie wissen, daß ich es mir erlaube, alles zu sagen, und ich pflege gelegentlich unverblümt zu fragen. Ich kann nur wiederholen: Ich bin Ihr Sklave, und vor Sklaven braucht man sich nicht zu genieren, ein Sklave kann nicht beleidigen.«
    »Alles Unsinn! Ich kann Ihre ›Sklaventheorie‹ nicht ausstehen.«
    »Merken Sie sich, daß ich nicht deshalb meine Sklaverei erwähne, weil ich mir etwa wünsche, Ihr Sklave zu sein – sondern nur als Faktum, das in keiner Weise von mir abhängt.«
    »Sagen Sie klipp und klar, wozu brauchen Sie Geld?«
    »Und wozu wollen Sie das wissen?«
    »Wie Sie wünschen«, antwortete sie und wandte stolz den Kopf.
    »Die Sklaventheorie können Sie nicht ausstehen, aber der Sklavengehorsam wird gewünscht: ›Antworten und keine Vorbehalte!‹ Gut, meinetwegen. Sie fragen: Wozu brauchen Sie Geld? Was heißt, wozu? Geld – das ist alles!«
    »Ich verstehe, aber der Wunsch nach Geld muß doch nicht in einem Wahn enden! Sie geraten doch völlig außer sich, bis zur Raserei, bis zum Fatalismus. Es muß doch etwas dahinterstecken, ein besonderes Ziel. Reden Sie ohne Ausflüchte, ich will es.«
    Es sah ganz danach aus, als ob sie ärgerlich würde, mir aber gefiel es ungemein, daß sie mich mit solchem Eifer verhörte.
    »Selbstverständlich ist da ein Ziel«, sagte ich, »nur bin ich nicht imstande, es zu erklären. Höchstens, daß ich mit Geld auch für Sie ein anderer Mensch würde und kein Sklave bliebe.«
    »Und wie, wie wollen Sie das erreichen?«
    »Wie ich es erreichen werde? Wie, Sie haben nicht einmal die leiseste Ahnung, wie ich es erreichen könnte, daß Sie in mir etwas anderes sehen als einen Sklaven? Und gerade das ist es, das ich nicht möchte – solches Staunen und Ahnungslosigkeit.«
    »Sie haben behauptet, daß diese Sklaverei für Sie eine Lust ist. Ich habe das auch gedacht.«
    »Sie haben das gedacht«, rief ich mit einer sonderbaren Lust. »Ah, wie wunderschön ist eine solche Naivität aus Ihrem Munde! Nun ja, ja, Ihr Sklave zu sein – ist für mich eine Lust. Ja, ja, es gibt eine Lust auf der letzten Stufe der Erniedrigung und Entwürdigung!« fuhr ich in einer Art Delirium fort. »Weiß der Teufel, vielleicht gibt es auch eine unter der Peitsche, wenn die Peitsche den Rücken trifft und das Fleisch zerfetzt … Aber ich möchte vielleicht auch noch andere Lüste kennenlernen. Neulich hatte mir der General bei Tisch in Ihrer Gegenwart eine Moralpredigt gehalten wegen siebenhundert Rubel pro Jahr, die ich vielleicht von ihm nicht einmal bekomme. Marquis des Grieux mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen, ohne von mir Kenntnis zu nehmen. Ich meinerseits bin aber vielleicht von dem leidenschaftlichen Wunsch beseelt, Marquis des Grieux in Ihrer Gegenwart an der Nase zu packen.«
    »Die Reden eines Grünschnabels. In jeder Situation kann man sich würdig verhalten. Und wenn es hier zu einem Kampf kommt, so zieht er keine Erniedrigung, sondern weitere Erhöhung nach sich.«
    »Wie nach der Schönschriftvorlage! Sie brauchen nur anzunehmen, daß ich es vielleicht nicht fertigbringe, mich würdig zu behaupten. Das heißt, daß ich vielleicht nicht würdelos bin, aber es nicht fertigbringe, mich würdig zu behaupten. Verstehen Sie, daß so etwas in der Tat möglich ist? Daß sogar alle Russen so sind, und wissen Sie, warum? Weil die Russen viel zu reich und zu vielseitig begabt sind, um sich rasch eine schickliche Form anzueignen. Hier geht es um die Form. Meistens sind wir, die Russen, so reich begabt, daß die schickliche Form für uns schon eine Genialität wäre. Nun, und gerade Genialität ist nicht zur Hand, weil sie überhaupt eine seltene Erscheinung ist. Nur bei den Franzosen und vielleicht bei einigen anderen Europäern ist die Form so ausgeprägt, daß man außerordentlich würdig auftreten und gleichzeitig ein völlig unwürdiger Mensch sein kann. Aus diesem Grund kommt der Form bei Ihnen eine so große Bedeutung zu. Der Franzose würde eine Beleidigung, eine echte, sein Herz treffende Beleidigung, ohne mit der Wimper zu zucken, hinnehmen, einen Nasenstüber dagegen um keinen Preis auf der Welt, weil es dabei um die Verletzung einer konventionellen, längst geheiligten Anstandsform geht. Und unsere jungen Damen sind so anfällig für Franzosen, weil diese Meister der schönen Form sind. Ich meine allerdings, daß es gar nicht die Form ist, sondern nur das Kikeriki, le coq gaulois . Ich bin

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