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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Blanche bekannt ist, daß sie aber von ihrem Franzosen nicht lassen kann und deshalb bereit ist, mit Mademoiselle Blanche zu promenieren. Seien Sie sicher, daß keine zweite Macht auf der Welt sie dazu bringen könnte, mit Mademoiselle Blanche zu promenieren und mich in einem Briefchen zu beschwören, den Baron in Ruhe zu lassen. Hier muß man diese Macht suchen, die alles andere bezwingt! Aber sie war es doch selbst, die mich auf den Baron gehetzt hat! Hol’s der Teufel, hier findet man sich gar nicht zurecht!«
    »Sie vergessen, daß diese Mademoiselle de Cominges – die Braut des Generals ist und daß zweitens Miss Polina, die Stieftochter des Generals, einen kleinen Bruder und eine kleine Schwester hat, seine leiblichen Kinder, die dieser verrückte Mensch völlig verlassen und, wie es scheint, bereits bestohlen hat.«
    »Ja, ja! So ist das! Diese Kinder sich selbst überlassen – würde bedeuten, sie völlig aufgeben, bei diesen Kindern bleiben – würde bedeuten, ihre Interessen verteidigen und vielleicht auch den kümmerlichen Rest ihres Vermögens retten. Ja, ja, das ist alles richtig! Aber trotzdem, trotzdem! Oh, ich begreife sehr wohl, warum sie sich jetzt alle so lebhaft für
baboulenka
interessieren!«
    »Für wen?« fragte Mister Astley.
    »Für die alte Hexe in Moskau, die ewig nicht stirbt, während man ein Telegramm herbeisehnt, daß sie gestorben ist.« »Nun ja, natürlich, die Interessen aller konzentrieren sich auf ihre Person. Es geht um das Erbe! Sobald das Erbe da ist, wird der General heiraten; Miss Polina wird gleichfalls frei handeln können, und des Grieux …«
    »Nun, und des Grieux?«
    »Und des Grieux bekommt sein Geld; er hält sich ja nur deswegen hier auf und wartet.«
    »Nur deswegen! Sie glauben, er wartet nur darauf?«
    »Mehr weiß ich nicht.« Mister Astley schwieg hartnäckig.
    »Aber ich, ich weiß mehr!« wiederholte ich wütend. »Auch er wartet auf die Erbschaft, weil Polina dann ihre Aussteuer erhält und sich, sobald sie das Geld hat, ihm an den Hals wirft. Alle Frauen sind so! Und die stolzesten von ihnen werden zu den fadesten Sklavinnen! Polina ist nur zu leidenschaftlicher Liebe fähig – keiner anderen! Das ist meine Meinung von ihr! Sehen Sie sie doch an, besonders wenn sie alleine dasitzt, gedankenverloren: prädestiniert, gezeichnet, unselig! Sämtlichen Schrecken des Lebens und der Leidenschaft offen … sie … sie … aber wer ruft mich da?« rief ich plötzlich. »Wer schreit da? Ich hörte, es wurde russisch gerufen ›Alexej Iwanowitsch!‹ Eine Frauenstimme, hören Sie, hören Sie!«
    Wir näherten uns gerade unserem Hotel. Schon längst hatten wir das Café verlassen, fast ohne es zu merken.
    »Ich habe eine Frau rufen gehört, aber ich weiß nicht, wer gerufen wurde; es war russisch; aber jetzt sehe ich, woher die Stimme kommt«, Mister Astley zeigte mit der Hand, »es ruft diese Frau, die da in dem großen Sessel sitzt und gerade von mehreren Lakaien die Vortreppe hinaufgetragen wird. Hinter ihr werden Koffer getragen, also ist gerade ein Zug angekommen.«
    »Aber warum ruft sie mich? Jetzt schreit sie wieder; sehen Sie, sie winkt uns herbei.«
    »Ich sehe, sie winkt«, sagte Mister Astley.
    »Alexej Iwanowitsch! Alexej Iwanowitsch! Mein Gott, was für ein Dummkopf!« hallten die verzweifelten Rufe von der Vortreppe des Hotels.
    Wir erreichten die Stufen beinahe im Laufschritt. Ich trat auf den obersten Treppenabsatz und … meine Arme sanken vor Verblüffung kraftlos herab, und die Beine versagten, wie angewurzelt, ihren Dienst.

Kapitel IX
    Auf dem obersten Treppenabsatz des großzügigen Hotelportals thronte – in einem von der Dienerschaft die Stufen hinaufgetragenen Rollstuhl, umringt von Lakaien, Zofen und dem zahlreichen dienstbeflissenen Hotelpersonal, sogar mit dem herbeigeeilten Oberkellner an der Spitze, die mit Pomp und Getöse, mit eigener Dienerschaft, mit wahrer Unzahl von Reisetaschen und Koffern angereiste –
babuschka!
Ja, das war sie persönlich, die gestrenge und reiche, fünfundsiebzigjährige Antonida Wassiljewna Tarasewitschewa, Großgrundbesitzerin und alteingesessene Moskowiterin,
la baboulenka,
derentwegen Telegramme geschickt und empfangen wurden, die Sterbende und nicht Gestorbene, die nun plötzlich, in eigener Person, wie der Blitz aus heiterem Himmel, unter uns erschien. Sie erschien, zwar gelähmt und seit den letzten fünf Jahren im Rollstuhl, aber wie immer nach ihrer Art kämpferisch, einfallsreich,

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