Der Spieler
ich bemerkte, daß er an manchen besonders feurigen Stellen verlegen wurde, steigerte ich das Feuer meiner Schilderung. Ich bereue nur eines: Ich bin vielleicht bei meinen Schilderungen des Franzosen ein wenig zu weit gegangen …
Mister Astley saß mir gegenüber, reglos, ohne ein Wort, ohne einen Laut von sich zu geben, sah mir unentwegt in die Augen und hörte zu; aber als ich auf den Franzosen zu sprechen kam, unterbrach er mich plötzlich und fragte streng: ob ich wohl das Recht hätte, diesen nicht zur Sache gehörigen Umstand zu erwähnen? Mister Astley pflegte seine Fragen sehr eigentümlich zu stellen.
»Sie haben recht: Ich fürchte, kein Recht darauf zu haben«, antwortete ich.
»Über diesen Marquis und Miss Polina haben Sie nichts Genaueres zu sagen als bloße Vermutungen?«
Ich wunderte mich abermals über eine derart kategorische Frage aus dem Munde eines solch schüchternen Menschen wie Mister Astley.
»Nein, nichts Genaueres, natürlich nicht«, antwortete ich.
»Wenn es so ist, so haben Sie übel gehandelt, weil Sie nicht nur mit mir darüber redeten, sondern auch, weil Sie es im stillen dachten.«
»Schon gut, schon gut! Zugegeben; aber jetzt geht es um etwas anderes«, redete ich weiter, wiewohl ich mich wunderte. Darauf erzählte ich ihm die ganze gestrige Geschichte, mit allen Details, Polinas exzentrischem Einfall, meinem Zusammenstoß mit dem Baron, meiner Entlassung, der außergewöhnlichen Ängstlichkeit des Generals und, schließlich, genauestens, von dem heutigen Besuch von des Grieux, mit allen Nuancen; zum Schluß zeigte ich ihm den Zettel.
»Was schließen Sie daraus?« fragte ich. »Ich war gerade deshalb zu Ihnen unterwegs, um Ihre Gedanken zu erfahren. Ich für mein Teil würde am liebsten, scheint mir, diesen miesen Franzosen totschlagen und werde es vielleicht wirklich tun.«
»Ich auch«, sagte Mister Astley. »Was Miss Polina betrifft, so … Sie wissen doch, daß wir sogar mit uns verhaßten Menschen in Verbindung treten können, wenn uns die Notwendigkeit dazu zwingt. In diesem Fall kann es sich um Kontakte handeln, die Ihnen unbekannt sind und die von entfernten Umständen abhängen. Ich denke, Sie können sich beruhigen – teilweise, versteht sich. Was Miss Polinas gestriges Verhalten angeht, so ist es natürlich eigentümlich – nicht weil sie sich gewünscht hätte, Sie loszuwerden und Sie dem Knüppel des Barons (den er, obwohl er ihn in der Hand hielt, unverständlicherweise nicht benutzte) auszusetzen, sondern weil ein solcher Einfall einer … einer solch vortrefflichen jungen Dame unwürdig ist. Selbstverständlich konnte sie nicht ahnen, daß Sie ihren höhnischen Wunsch buchstäblich erfüllen könnten …«
»Wissen Sie was?« rief ich plötzlich und sah Mister Astley prüfend an. »Mir scheint, daß Sie das alles bereits gehört haben, und wissen Sie von wem – von Miss Polina persönlich!«
Mister Astley warf mir einen erstaunten Blick zu.
»Ihre Augen funkeln, und ich lese darin Argwohn«, sagte er, seine frühere Gelassenheit sofort wiedergewinnend, »aber Ihnen steht nicht das geringste Recht zu, Ihre Verdächtigungen auszusprechen. Ich kann ein solches Recht nicht gelten lassen und weigere mich entschieden, Ihre Frage zu beantworten.«
»Lassen wir es gut sein! Es ist auch nicht nötig!« rief ich, seltsam erregt und überrascht, weil ich auf diesen Gedanken gekommen war. Wann, wo, auf welche Weise könnte Mister Astley von Polina zum Vertrauten gewählt worden sein? In letzter Zeit hatte ich Mister Astley freilich ein wenig aus den Augen verloren, und Polina war mir schon immer ein Rätsel gewesen, so ausschließlich ein Rätsel, daß ich zum Beispiel jetzt, als ich darauf verfiel, Mister Astley die ganze Geschichte meiner Liebe zu erzählen, plötzlich im Laufe des Erzählens verblüfft entdeckte, daß ich fast nichts Genaues und Positives über meine Beziehung zu ihr zu sagen wußte. Im Gegenteil, alles war phantastisch, eigenartig, unwirklich, sogar beispiellos.
»Schon gut, schon gut; ich habe den Faden verloren und kann jetzt vieles nicht auf einen Nenner bringen«, antwortete ich fast atemlos. »Übrigens, Sie sind ein guter Mensch, jetzt geht es noch um anderes, ich bitte nicht – nicht um Ihren Rat, sondern um Ihre Meinung.«
Ich schwieg eine Weile und fuhr dann fort:
»Was meinen Sie, warum bekam der General es derart mit der Angst zu tun? Warum haben sie alle meinen albernen Schulbubenstreich zu einem solchen Skandal
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