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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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gehörte zu dem kräftigen Menschenschlag, und obwohl sie sich niemals aus ihrem Rollstuhl erhob, ahnte man bei ihrem Anblick, daß sie ziemlich stattlich gewachsen war. Der Rücken war gerade wie ein Brett (sie pflegte sich nie anzulehnen). Der große, ergraute Kopf mit den kräftigen und scharfen Gesichtszügen stets hoch aufgerichtet; der Blick sogar überheblich und herausfordernd, alles machte deutlich, daß der Blick und die Gesten völlig absichtslos waren. Ungeachtet ihrer fünfundsiebzig Jahre war das Gesicht ziemlich frisch, sogar die Zähne waren nicht besonders mitgenommen. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid und ein weißes Häubchen.
    »Sie interessiert mich außerordentlich«, flüsterte mir Mister Astley zu, der neben mir die Treppe hinaufstieg.
    “Über die Telegramme ist sie unterrichtet”, dachte ich. “Des Grieux ist ihr auch bekannt, aber über Mademoiselle Blanche weiß sie noch wenig.” Dies teilte ich sofort Mister Astley mit.
    Ich bin ein schlechter Mensch! Kaum hatte sich mein erstes Staunen gelegt, freute ich mich schrecklich auf den Blitz, der im nächsten Augenblick bei dem General einschlagen würde. Irgend etwas schien mich aufzustacheln, und außerordentlich frohgemut schritt ich allen voran.
    Die Unsrigen waren im zweiten Obergeschoß untergebracht; ich ließ uns nicht anmelden und unterließ sogar das Anklopfen, sondern riß die Tür kurzerhand auf, und Babuschka wurde im Triumph hereingetragen. Sie hatten sich alle, wie bestellt, im Kabinett des Generals versammelt. Es war zwölf, und man war, wie es schien, gerade dabei, einen bevorstehenden Ausflug zu besprechen, die einen in Kutschen, die anderen zu Pferde, ein gemeinsames Unternehmen mit einigen eingeladenen Bekannten. Außer dem General und Polina mit den Kindern und deren Wärterin befanden sich im Kabinett des Generals Mademoiselle Blanche, wieder im Reitkleid, ihre Mutter, Madame la veuve de Cominges, der kleine Fürst und ein reisender Gelehrter, ein Deutscher, den ich bei ihnen noch nie gesehen hatte. Den Rollstuhl mit Babuschka stellte man einfach in der Mitte des Kabinetts, drei Schritt vor dem General, ab. Mein Gott, ich werde diesen Eindruck niemals vergessen! Vor unserem Erscheinen hatte der General etwas erzählt, und des Grieux hatte ihn gelegentlich korrigiert. Ich muß hinzufügen, daß Mademoiselle Blanche und des Grieux bereits seit zwei oder drei Tagen dem kleinen Fürsten aus irgendeinem Grund geflissentlich den Hof machten, à la barbe du pauvre général , und die Gesellschaft sich in einer, vielleicht forcierten, aber durchaus heiter gelösten und vertraulichen Stimmung befand. Der General erstarrte beim Anblick Babuschkas, riß plötzlich den Mund auf und stockte mitten im Wort. Er sah sie aus weit aufgerissenen Augen an, wie von einem Basiliskenblick getroffen. Babuschka fixierte ihn gleichfalls schweigend und regungslos – aber was war das für ein triumphierender, herausfordernder und höhnischer Blick! Sie blickten nicht weniger als zehn Sekunden einander in die Augen, unter tiefem Schweigen aller Anwesenden. Des Grieux schien anfangs wie versteinert, aber bald verzog sich sein Gesicht in zuckender Unruhe. Mademoiselle Blanche hob die Brauen, öffnete den Mund und musterte Babuschka entgeistert. Der Fürst und der Gelehrte betrachteten das Tableau völlig verständnislos. Polinas Blick drückte zuerst größtes Erstaunen und Ratlosigkeit aus, plötzlich wurde sie kreidebleich, bis eine Minute darauf ihr das Blut ins Gesicht schoß und ihre Wangen erglühen ließ. Ja, das war eine Katastrophe, für alle! Ich wußte nichts Besseres, als meine Augen zwischen Babuschka und den anderen hin und her wandern zu lassen. Mister Astley stand abseits, nach seiner Gewohnheit, gelassen und ruhig.
    »Und nun bin ich da! Statt des Telegramms!« platzte endlich Babuschka im allgemeinen Schweigen heraus. »Das habt ihr wohl nicht erwartet?«
    »Antonida Wassiljewna … verehrte Tante … aber auf welche Weise …«, stammelte der unglückselige General. Hätte die Großmutter noch einige Sekunden länger geschwiegen, hätte ihn womöglich der Schlag gerührt.
    »Was heißt ›auf welche Weise‹? Ich bin einfach eingestiegen und losgefahren. Wozu haben wir eine Eisenbahn? Ihr habt wohl alle etwas anderes erwartet: ich hätte das Zeitliche gesegnet und euch das Erbe hinterlassen? Ich weiß doch, wie du von hier aus ein Telegramm nach dem anderen geschickt hast. Die haben dich eine Menge Geld gekostet, das kann

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