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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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selbstzufrieden, kerzengerade, laut und herrisch Befehle erteilend, alle, ohne Ansehen der Person, tadelnd – haargenau dieselbe, die ich zwei- oder dreimal zu sehen die Ehre hatte, als ich als Privatlehrer im Hause des Generals angestellt wurde. Begreiflicherweise stand ich nun, vor Verblüffung wie versteinert, vor ihr. Sie dagegen hatte mich, während sie im Rollstuhl hinaufgetragen wurde, mit ihren Luchsaugen schon auf hundert Schritt erkannt und bei Vor- und Vatersnamen gerufen – wie sie es sich gewohnheitsgemäß ein für alle Male eingeprägt hatte. “Und die hier erwarten so jemand im Sarg zu sehen, unter der Erde, ihr Erbe hinterlassend”, ging es mir durch den Kopf. “Sie wird uns alle, samt diesem Hotel, überleben! Aber, mein Gott, was wird jetzt aus der Familie, was wird aus dem General! Sie wird doch das ganze Hotel auf den Kopf stellen!”
    »Warum hast du dich so vor mir aufgepflanzt und starrst mich an!« herrschte mich Babuschka weiter an. »Einen Diener zur Begrüßung machst du wohl nicht mehr? Bist du inzwischen so eingebildet, daß du es nicht mehr nötig hast? Oder erkennst du mich nicht wieder? Hörst du, Potapytsch«, mit diesen Worten wandte sie sich an einen schlohweißen alten Mann im Frack, mit weißer Halsbinde und rosiger Glatze, ihren Haushofmeister, der sie auf ihrer voyage begleitete, »hörst du, der erkennt mich nicht wieder! Begraben haben sie mich schon! Ein Telegramm nach dem anderen haben sie geschickt: Ist sie schon tot oder immer noch nicht? Ich weiß doch alles! Und bin, wie du siehst, gesund und munter.«
    »Aber Erbarmen, Antonida Wassiljewna, warum sollte ausgerechnet ich Ihnen etwas Böses wünschen?« antwortete ich vergnügt, sobald ich zu mir kam. »Ich war nur erstaunt … Aber wie sollte man sich nicht wundern, wenn Sie so unerwartet …«
    »Und was findest du daran so erstaunlich? Ich stieg einfach ein und fuhr los. In dem Waggon hat man es bequem, es fährt sich ganz ruhig. Warst du jetzt spazieren, oder?«
    »Ja, auf dem Weg zum Kursaal.«
    »Hier ist es schön«, sagte die Babuschka, wobei sie sich umsah, »warm, und die Bäume ganz prächtig. Das gefällt mir! Sind die Unsrigen zu Hause? Auch der General?«
    »Oh! Zu Hause, um diese Zeit sind sie bestimmt alle zu Hause.«
    »Aha, sie leben hier sogar nach der Uhr und beachten alle Zeremonien? Den guten Ton? Sie sollen eine eigene Equipage halten, wie ich hörte, les seigneurs russes ! Wenn das Geld ausgegangen ist, ab ins Ausland! Und Praskowja ist auch dabei?«
    »Ja, Polina Alexandrowna ist auch hier.«
    »Und der mickrige Franzose? Na ja, ich werde sie alle selbst in Augenschein nehmen. Alexej Iwanowitsch, führ uns direkt zu ihm. Und du? Hast du es hier gut?«
    »Es geht, Antonida Wassiljewna.«
    »Und du, Potapytsch, sag diesem Esel, dem Kellner, sie müssen mir ein bequemes Appartement geben, ein gutes, nicht zu hoch, und mein Gepäck soll sofort dahin gebracht werden. Und warum reißen sich alle darum, mich zu tragen? Warum drängen sie sich auf? Die wahren Sklaven! Und wen hast du dabei?« Mit dieser Frage wandte sie sich wieder an mich.
    »Das ist Mister Astley«, antwortete ich.
    »Was für ein Mister Astley?«
    »Ein Reisender, ein guter Bekannter von mir; er ist auch mit dem General bekannt.«
    »Engländer. Deshalb wendet er keinen Blick von mir ab und kriegt die Zähne nicht auseinander. Übrigens, ich mag die Engländer. So, und nun schleppt mich nach oben, direkt ins Appartement; wo stecken die denn?«
    Die Prozession mit Babuschka setzte sich in Bewegung; ich schritt auf der breiten Hoteltreppe voran. Unser Zug war überaus effektvoll. Alle, die uns begegneten, blieben stehen und rissen die Augen auf. Unser Hotel galt als das beste, das teuerste und das aristokratischste des ganzen Heilbads. Im Treppenhaus und in den Gängen begegnete man immerfort prächtigen Damen und bedeutenden Engländern. Viele erkundigten sich unten bei dem Oberkellner, der seinerseits tief beeindruckt war. Natürlich antwortete er auf alle Fragen, es sei eine vornehme Ausländerin, une russe, une comtesse, une grande dame , und sie beziehe dasselbe Appartement, das erst vor einer Woche la grande duchesse de N bewohnt habe. Die herrische und imposante Haltung der Großmutter, die in ihrem Rollstuhl getragen wurde, war die eigentliche Ursache der von ihr ausgehenden Wirkung. Mit einem abschätzenden Blick maß sie jede Person, die uns begegnete, und verlangte laut von mir eine eingehende Auskunft. Babuschka

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