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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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nicht anzutreffen war, dann im Kurhaus, im Laufschritt durch alle Säle, und schließlich ärgerlich und beinahe verzweifelt auf dem Heimweg, wo ich ihn völlig zufällig in einer Kavalkade irgendwelcher Engländer und Engländerinnen entdeckte, hoch zu Roß. Ich machte ihm ein Zeichen, er hielt an, und ich überreichte ihm den Brief. Wir hatten kaum Zeit, auch nur einen Blick zu wechseln. Ich vermute aber, daß Mister Astley seinem Pferd die Sporen nicht unbedacht gegeben hat.
    War es Eifersucht, was mich quälte? Jedenfalls fühlte ich mich völlig zerschlagen. Ich wollte mich nicht einmal vergewissern, was sie einander schrieben. Also, er ist ihr Vertrauter! “Freund oder nicht Freund”, dachte ich, “das ist klar (wann hat er die Gelegenheit dazu genutzt), aber ist nicht auch Liebe dabei?” – “Natürlich nicht”, flüsterte mir der Verstand zu. Aber in solchen Fällen kommt man mit dem Verstand allein nicht weiter. In jedem Fall forderte auch dies eine weitere Aufklärung. Die Sache wurde auf unangenehme Weise komplizierter.
    Kaum hatte ich das Hotel betreten, als der Portier und der aus seinem Raum auftauchende Oberkellner auf mich zustürzten und mir mitteilten, daß man nach mir verlange, mich suche und sich schon dreimal erkundigt habe, wo ich denn steckte – man bitte mich unverzüglich in das Appartement des Generals. Ich war in der allerübelsten Laune. Im Kabinett des Generals fand ich, außer dem General selbst, des Grieux und Mademoiselle Blanche vor, letztere allein, ohne Maman. Diese Maman war entschieden eine Strohpuppe, die nur der Repräsentation zu dienen hatte; wurde das
Geschäft
einmal ernst, so handelte Mademoiselle Blanche ganz alleine. Es war auch kaum anzunehmen, daß sie in die Geschäfte ihrer sogenannten Tochter eingeweiht war.
    Sie mußten zu dritt sich in eine hitzige Debatte verwickelt und sogar die Tür des Kabinetts abgeschlossen haben, was ganz gegen die Gewohnheit war. Als ich mich der Tür näherte, hörte ich die lauten Stimmen – den dreisten, giftigen Ton von des Grieux, das ordinäre, aggressive Kreischen von Mademoiselle Blanche und die kleinlaute Stimme des Generals, der sich offensichtlich zu rechtfertigen suchte. Bei meinem Erscheinen schienen sie alle sich zusammenzunehmen, um ihre Erregung, so gut es ging, zu kaschieren. Des Grieux strich sich über das Haar und setzte sein Lächeln auf, jenes üble, offiziell-höfliche französische Lächeln, das mir so verhaßt ist. Der niedergeschlagene und völlig verwirrte General nahm Haltung an, aber irgendwie mechanisch. Allein Mademoiselle Blanche war lediglich verstummt, ohne ihre in blankem Zorn funkelnde Physiognomie zu verändern, und starrte mich ungeduldig an. Es sei an dieser Stelle vermerkt, daß sie mich bis dahin unglaublich nachlässig behandelt hatte und sogar meinen Gruß unbeantwortet ließ – sie übersah mich einfach.
    »Alexej Iwanowitsch«, begann der General im Ton eines liebevollen Vorwurfs, »gestatten Sie mir die Bemerkung, daß es sonderbar ist, im höchsten Maße sonderbar … daß Ihr Verhalten gegenüber meiner Person und meiner Familie, mit einem Wort, im höchsten Maße sonderbar …«
    » Eh! Ce n’est pas ça «, unterbrach ihn des Grieux ärgerlich und verächtlich. (Kein Zweifel, er war hier der alleinige Herr und Meister!) » Mon cher monsieur, notre cher général se trompe , wenn er einen solchen Ton anschlägt«, (ich setze seine Rede auf russisch fort), »aber er wollte Ihnen sagen … das heißt, Sie darauf aufmerksam machen oder besser gesagt Sie inständigst bitten, ihn nicht zugrunde richten zu wollen – ja, ja, nicht zugrunde richten! Ich wähle gerade diesen Ausdruck mit Bedacht, weil …«
    »Aber wieso, wieso denn!« fiel ich ihm ins Wort.
    »Aber ich bitte Sie, Sie maßen sich die Leitung (oder wie soll man es anders ausdrücken?) dieser Greisin an, cette pauvre, terrible vieille «, des Grieux selbst verlor den Faden, »aber sie wird doch alles verlieren; sie wird alles verlieren, alles! Sie haben es doch selbst gesehen, Sie waren Zeuge ihres Spiels! Wenn sie zum ersten Mal verliert, wird sie vom Spieltisch nicht mehr weichen, aus Eigensinn, aus Bosheit, sie wird spielen und spielen, und da man in solchen Fällen das Verlorene niemals wiedergewinnt, so – so …«
    »So werden Sie«, sekundierte der General, »so werden Sie die ganze Familie zugrunde richten! Ich und meine Nachkommen – wir sind ihre Erben, sie hat keine näheren Verwandten. Ich will

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