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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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kann ich dir leihen, wenn du willst. Hier, diese Rolle, die kannst du nehmen, du aber, mein Guter, brauchst gar nicht zu warten, du bekommst gar nichts!« Die letzten Worte galten plötzlich dem General.
    Dieser zuckte förmlich zusammen, sagte aber nichts. Des Grieux runzelte die Stirn.
    » Que diable, c’est une terrible vieille! « zischte er dem General zu.
    »Ein Bettler, ein Bettler, schon wieder ein Bettler!« schrie Babuschka auf. »Alexej Iwanowitsch, der bekommt auch einen Gulden.«
    Diesmal war es ein alter Mann mit ergrautem Haar und einem Stelzbein, in einem blauen, langschößigen Rock, mit einem langen Stock in der Hand. Er sah aus wie ein alter Soldat. Als ich ihm den Gulden reichte, wich er einen Schritt zurück und maß mich mit einem drohenden Blick.
    »Was ist’s, zum Teufel!« knurrte er; darauf folgte ein Dutzend von Verwünschungen.
    »Dieser Dummkopf«, rief Babuschka und winkte ab. »Weiter! Ich bin hungrig! Wir wollen sofort essen, nach Tisch leg ich mich aufs Ohr, und dann wieder zurück.«
    »Wollen Sie denn wieder spielen, Babuschka?« rief ich.
    »Und was hast du dir vorgestellt? Soll ich mir etwa an euch ein Beispiel nehmen, nur weil ihr hier alle herumhockt und versauert?«
    »Mais, madame«, des Grieux trat auf sie zu, »les chances peuvent tourner, une seule mauvaise chance et vous perdrez tout … surtout avec votre jeu … c’était terrible!«
    » Vous perdrez absolument «, zwitscherte Mademoiselle Blanche.
    »Und was geht euch alle das an? Wenn ich verspiele, ist es nicht euer Geld – mein eigenes! Und wo steckt dieser Mister Astley?« fragte sie mich.
    »Der ist im Kurhaus geblieben, Babuschka.«
    »Schade; ein wirklich guter Mensch.«
    Als wir in unserem Hotel angelangt waren, winkte die Großmutter noch auf der Treppe einen Oberkellner herbei und rühmte sich ihres Glücks im Spiel; dann rief sie Fedossja, schenkte ihr drei Friedrichsdor und befahl, das Essen aufzutragen. Fedossja und Marfa wußten sich beim Bedienen vor Begeisterung kaum zu halten:
    »Sehe ich euch an, Mütterchen, und frage Potapytsch«, schnatterte Marfa, »was unsere Herrin jetzt bloß anstellen wird. Und auf dem Tisch nichts wie Geld, nichts wie Geld, o je! Mein Lebtag habe ich nicht so viel Geld gesehen, und rings um den Tisch nichts wie Herrschaften, lauter Herrschaften! Und von wo, sage ich Potapytsch, kommen all diese Herrschaften hierher? Und da denke ich bei mir, möge ihr doch die Mutter Gottes selber beistehen! Und da bete ich für Euch, Gnädige, und mein Herz klopft zum Zerspringen und klopft immerfort, und da beginn ich zu zittern und zittere von Kopf bis Fuß. Hilf ihr doch, Herr im Himmel, denke ich, und schon hat der Herr im Himmel sie beschenkt. Und jetzt, Mütterchen, zittere ich immer noch, und das am ganzen Leib.«
    »Alexej Iwanowitsch, nach dem Mittagessen, gegen vier, halte dich bereit, dann ziehen wir los. Und jetzt einstweilen adieu, vergiß bloß nicht, mir irgendeinen Kurpfuscher zu schicken, man muß ja hier auch Brunnen trinken. Sonst vergißt man das unversehens.«
    Ich verließ Babuschka wie betäubt. Ich versuchte mir vorzustellen, was jetzt mit den Unsrigen geschehen würde und mit welcher Wendung man zu rechnen hätte. Ich sah ganz klar, daß sie (vor allem der General) immer noch nicht recht zu sich gekommen waren und sich nicht einmal von dem ersten Eindruck erholt hatten. Die Tatsache des leiblichen Erscheinens Babuschkas statt des stündlich erwarteten Telegramms mit der Nachricht von ihrem Tod (und folglich auch von dem Erbe) hatte das gesamte System ihrer Pläne und bereits gefaßten Entschlüsse so gründlich über den Haufen geworfen, daß sie alle völlig fassungslos und fast wie zu Säulen erstarrt auf die Aussicht weiterer Heldentaten Babuschkas am Spieltisch apathisch reagierten. Indessen war aber diese zweite Tatsache fast noch bedeutsamer als die erste, denn obwohl die Großmutter schon zweimal wiederholt hatte, daß sie dem General kein Geld geben werde, war noch alles offen – jedenfalls sollte man die Hoffnung noch nicht gänzlich verlieren. Ebensowenig wie des Grieux, der offenkundig an sämtlichen Angelegenheiten des Generals interessiert war. Ich bin sicher, daß auch Mademoiselle Blanche, ihrerseits ausgesprochen interessiert (nämlich: Frau Generalin und bedeutende Erbschaft!), die Hoffnung noch nicht aufgegeben und sämtliche Verführungskünste der Koketterie im Umgang mit der Babuschka ins Spiel gebracht hatte, letzteres im Gegensatz zu

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