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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Ihnen gestehen: Um meine Verhältnisse steht es schlecht, außerordentlich schlecht. Sie wissen es ja zum Teil selbst … Wenn sie eine bedeutende Summe oder sogar, möglicherweise, das gesamte Vermögen (oh, Gott!) verspielen sollte, was wird dann mit ihnen, mit meinen Kindern, geschehen?« (mit einem Blick auf des Grieux) – »und mit mir!« (Sein Blick suchte Mademoiselle Blanche, die sich verächtlich von ihm abwandte.) »Alexej Iwanowitsch, retten Sie, retten Sie uns! …«
    »Aber wie denn, General, sagen Sie, was könnte ich … ausgerechnet ich, habe ich denn hier überhaupt etwas zu sagen?«
    »Weigern Sie sich, weigern Sie sich, ihr zu helfen, überlassen Sie die Alte ihrem Schicksal …!«
    »Dann wird sich ein anderer finden!« rief ich.
    » Ce n’est pas ça, ce n’est pas ça «, mischte sich wiederum des Grieux ein. » Que diable ! Nein, Sie sollen sie keineswegs ihrem Schicksal überlassen, sondern wenigstens versuchen, ihr ins Gewissen zu reden, abzulenken, zu überreden … Nun, und schließlich, sie an den zu hohen Verlusten zu hindern, sie irgendwie abzulenken.«
    »Aber wie soll das gehen? Wenn Sie selbst es versuchen wollten, wie wäre denn das, Monsieur des Grieux«, fügte ich möglichst harmlos hinzu.
    Da bemerkte ich einen raschen, feurigen, fragenden Blick, den Mademoiselle Blanche auf des Grieux richtete. In dessen Gesicht zeigte sich für den Bruchteil eines Augenblicks etwas Besonderes, etwas Echtes, das er nicht unterdrücken konnte.
    »Das ist es ja, daß sie mich jetzt nicht gelten läßt!« rief des Grieux und winkte ab. »Wenn sie es täte … irgendwann später …«
    Des Grieux warf plötzlich Mademoiselle Blanche einen bedeutsamen Blick zu.
    » Oh, mon cher monsieur Alexis, soyez si bon «, mit einem bezaubernden Lächeln trat Mademoiselle Blanche
höchstpersönlich
auf mich zu, ergriff meine beiden Hände und drückte sie fest. Hol’s der Teufel! Dieses diabolische Gesicht konnte sich in Sekundenschnelle verwandeln. In diesem Augenblick war es ein derart flehendes, ein derart liebes, kindlich-lächelndes und sogar verschmitztes; am Ende ihres Satzes zwinkerte sie mir sogar spitzbübisch zu, heimlich vor allen anderen; wollte sie mir etwa auf der Stelle den Boden unter den Füßen wegziehen? Das war gekonnt, allerdings entsetzlich unverfroren.
    Der General tat es ihr nach mit einem Satz – er tat es ihr buchstäblich nach.
    »Alexej Iwanowitsch, Verzeihung, daß ich vorhin so begonnen habe, es war aber nicht so gemeint … Ich bitte Sie, ich flehe Sie an … ich mache vor Ihnen eine tiefe, eine russische Verbeugung – aber Sie sind der einzige, der einzige, der uns retten kann! Ich und Mademoiselle de Cominges flehen Sie an – Sie verstehen, Sie verstehen mich doch?« flehte er, indem er einen vielsagenden Blick auf Mademoiselle Blanche warf. Er wirkte ausgesprochen jämmerlich.
    In diesem Augenblick wurde dreimal leise und respektvoll an die Tür geklopft; es wurde aufgemacht – geklopft hatte der Hoteldiener, und einige Schritte hinter ihm stand Potapytsch. Die Botschaft kam von Babuschka. Ich sollte gesucht und unverzüglich zu ihr gebracht werden; »sie zürnen«, setzte Potapytsch hinzu.
    »Aber es ist doch erst halb vier!«
    »Gnädige konnten nicht einschlafen, wälzten sich im Bett, erhoben sich plötzlich, verlangten den Rollstuhl und Sie. Jetzt sind sie bereits auf der Vortreppe, wenn’s beliebt …«
    » Quelle mégère !« entfuhr es des Grieux.
    Tatsächlich, ich fand Babuschka bereits auf der Vortreppe, außer sich vor Ungeduld, weil ich nicht zur Stelle war. Bis vier konnte sie nicht aushalten.
    »Also los!« gab sie das Kommando, und wir begaben uns wieder zum Roulette.

Kapitel XII
    Babuschka war ungeduldiger und reizbarer Laune; es war zu merken, daß das Roulettespiel sich in ihrem Kopf festgesetzt hatte. Allem anderen gegenüber war sie unaufmerksam und schien überhaupt völlig zerstreut. Zum Beispiel gab es unterwegs nichts, wonach sie sich wie vormittags erkundigt hätte. Als sie eine wirklich luxuriöse Equipage sah, die wie der Wind an uns vorbeibrauste, hob sie zwar die Hand und fragte: »Was war das? Wem gehört sie?«, schien aber meine Antwort zu überhören; ihre Benommenheit wurde immer wieder durch hastige und mißmutige Bewegungen und Ausfälle unterbrochen. Als ich ihr von weitem, schon kurz vor dem Casino, Baron und Baronesse Wurmerhelm zeigte, sah sie zerstreut hin und ließ ein vollkommen gleichgültiges »Ah!«

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