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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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vernehmen, wandte sich plötzlich nach Potapytsch und Marfa um, die dem Rollstuhl folgten, und fuhr sie schroff an:
    »Wieso seid ihr mitgekommen? Soll ich euch etwa jedes Mal mitnehmen? Marsch nach Hause! Du genügst mir vollkommen.« Letzteres galt mir, als die beiden sich eilig verneigt und den Heimweg angetreten hatten.
    Im Casino wurde die Großmutter bereits erwartet. Sofort wurde ihr derselbe Platz eingeräumt, neben dem Croupier. Ich glaube, daß die Croupiers – die sich stets so formvollendet und als betont regelrechte Beamte geben, als ginge es sie nichts an, ob die Bank gewinnt oder verliert – im Grunde einem Verlust der Bank alles andere als gleichgültig gegenüberstehen und zweifellos über gewisse Instruktionen verfügen, wie Spieler gelockt und die Interessen der Bank fortlaufend gewahrt werden, wofür sie selbst sicherlich mit Preisen und Gratifikationen rechnen dürfen. Jedenfalls betrachtete man die Babuschka bereits als ein willkommenes Opfer. Worauf all das, was man vorausgesehen hatte, auch eintrat.
    Und zwar ging das folgendermaßen vonstatten:
    Babuschka begann unmittelbar mit dem Zéro und befahl mir, zwölf Friedrichsdor zu setzen, einmal, zweimal, dreimal – kein Zéro. »Setz, setz!« Vor Ungeduld stieß mich Babuschka jedes Mal an. Ich gehorchte.
    »Wie oft haben wir gesetzt?« fragte sie schließlich, zähneknirschend vor Ungeduld.
    »Jetzt sind es zwölf Mal, Babuschka. Hundertvierundvierzig Friedrichsdor haben wir verloren. Ich sage Ihnen, Babuschka, bis zum Abend können Sie …«
    »Halt den Mund!« fiel mir Babuschka ins Wort. »Setz auf Zéro und zugleich auf Rot tausend Gulden. Hier ist der Schein, nimm.«
    Rot gewann, aber Zéro war wieder geplatzt; tausend Gulden bekamen wir zurück.
    »Siehst du, siehst du«, flüsterte Babuschka. »Wir haben fast alles, was wir gesetzt haben, zurückbekommen. Setz wieder auf zéro; wir setzen noch zehn Mal, und dann machen wir Schluß.«
    Aber beim fünften Mal wurde Babuschka nachdenklich.
    »Zum Teufel mit diesem elenden Zéro. Hier, setz alle viertausend auf Rot«, kommandierte sie.
    »Babuschka, das ist viel zuviel; und was, wenn Rot nicht kommt?« beschwor ich sie; aber Babuschka wäre beinahe tätlich geworden. (Übrigens hatte sie mir immer wieder einen so festen Stoß versetzt, daß man mit Recht sagen könnte, sie wäre bereits tätlich geworden.) Es war nichts zu machen, ich setzte alle viertausend Gulden, die wir gerade gewonnen hatten, auf Rot. Das Rad drehte sich. Babuschka saß gelassen und stolz aufgerichtet da, ohne an ihrem Gewinn auch nur zu zweifeln.
    »Zéro«, verkündete der Croupier.
    Zuerst realisierte die Großmutter überhaupt nicht, was dies bedeutete, als sie aber sah, daß der Croupier ihre viertausend Gulden samt allem anderen auf dem Tisch einzog, und erfuhr, daß dieses Zéro, auf das wir vergeblich gesetzt hatten, ausgerechnet jetzt gekommen war, als Babuschka es beschimpft und zum Teufel geschickt hatte, da ächzte sie und schlug die Hände so laut zusammen, daß es im ganzen Saal zu hören war. Es wurde sogar gelacht.
    »Herr im Himmel, ausgerechnet jetzt mußte es, verwünscht sei es, ausgerechnet jetzt kommen!« klagte sie. »Dreimal verwünscht! Und du bist schuld! An allem bist du schuld!« wandte sie sich an mich und versetzte mir einen Stoß nach dem anderen. »Du hast mir davon abgeraten.«
    »Aber, Babuschka, das, was ich Ihnen gesagt habe, war richtig, aber wie kann ich die Verantwortung für sämtliche Chancen übernehmen?«
    »Ich werde dir die Chancen heimzahlen!« flüsterte sie drohend. »Weg, weg mit dir, mach, daß du fortkommst.«
    »Adieu, Babuschka«, ich wandte mich um und wollte gehen.
    »Alexej Iwanowitsch, Alexej Iwanowitsch, bleib hier! Wohin, wohin willst du? Was ist denn los, was ist denn los? Er hat es mir übelgenommen! Ein Dummkopf bist du! Aber bleib doch, bleib doch noch ein Weilchen, nimm’s mir nicht übel, ich bin selbst ein dummes Huhn! Und sag doch, was ich jetzt tun soll!«
    »Ich möchte Ihnen nichts mehr raten, Babuschka, weil Sie doch mir die Schuld in die Schuhe schieben. Spielen Sie selber; befehlen Sie, und ich werde setzen.«
    »Schon gut, schon gut, setz noch mal viertausend Gulden auf Rot! Hier hast du die Brieftasche.« Sie zog aus der Rocktasche die Brieftasche und reichte sie mir. »Da, nimm sie, schnell, hier sind zwanzigtausend Rubel in bar.«
    »Babuschka«, flüsterte ich, »solche Einsätze …«
    »Und koste es mein Leben, ich will wieder

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