Der Spieler
noch, Ratschläge zu erteilen! Fort, fort mit dir! Selbst ahnungslos, will aber mitmischen!«
Des Grieux, tief gekränkt, zuckte die Achseln, warf Babuschka einen verächtlichen Blick zu und zog sich zurück. Es war ihm offensichtlich peinlich, daß er sich auf eine Verständigung mit ihr eingelassen hatte, seine Selbstbeherrschung war überfordert.
Nach einer Stunde hatten wir, trotz aller Versuche – alles verspielt.
»Nach Hause!« befahl die Großmutter.
Sie sprach kein einziges Wort, bis wir die Allee erreicht hatten. In der Allee, und zwar kurz vor dem Hotel, brach es aus ihr heraus:
»So eine Närrin! So eine Erznärrin! So eine alte, alte Erznärrin!«
Kaum hatten wir das Appartement betreten: »Tee!« kommandierte die Großmutter. »Sofort einpacken! Wir fahren!«
»Wohin möchten Gnädige fahren?« Marfa riskierte eine Frage.
»Was geht dich das an? Schuster, bleib bei deinen Leisten! Potapytsch, alles einpacken, die gesamte Bagage. Wir fahren zurück, nach Moskau! Fünfzehntausend von mir bleiben hier!«
»Fünfzehntausend, Gnädige! Mein Gott!« rief dienstwillig Potapytsch und schlug überwältigt die Hände zusammen, wahrscheinlich, um seinem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen.
»Schon gut, schon gut, Dummkopf! Brauchst nicht zu flennen! Halt den Mund! Einpacken! Und die Rechnung sofort, sofort!«
»Der nächste Zug geht um halb zehn, Babuschka«, meldete ich, um ihren Furor zu besänftigen.
»Und wie spät ist es jetzt?«
»Halb acht.«
»Wie dumm! Egal! Alexej Iwanowitsch, ich habe nicht eine Kopeke bei mir. Hier, noch zwei Wertpapiere, lauf noch mal hin und verkauf sie auch. Sonst hab’ ich kein Geld für die Reise.«
Ich machte mich auf den Weg. Als ich eine halbe Stunde später das Hotel wieder betrat, traf ich all die Unsrigen bei Babuschka an. Als sie erfahren hatten, daß die Großmutter endgültig nach Moskau abreisen wollte, waren sie, glaube ich, tiefer getroffen als von ihrem Spielverlust. Freilich, die Abreise rettete ihr Vermögen, aber – was würde jetzt aus dem General? Wer würde seine Schulden bei des Grieux begleichen? Mademoiselle Blanche würde selbstverständlich nicht so lange warten, bis Babuschka das Zeitliche segnete, und sich gewiß mit dem Miniaturfürsten oder einem anderen aus dem Staub machen. Man umringte sie, tröstete und suchte sie zu beruhigen. Polina fehlte abermals. Babuschka fuhr sie alle wütend an.
»Laßt mich in Ruhe, ihr Satansbrut! Was geht euch das an? Was will dieser Ziegenbart von mir?« Sie meinte des Grieux. »Und du, Kiebitz?« wandte sie sich an Mademoiselle Blanche. »Warum scharwenzelst du um mich herum?«
» Diantre !« flüsterte Mademoiselle Blanche, funkelte wütend mit den Augen, lachte aber plötzlich aus vollem Hals und ging hinaus.
» Elle vivra cent ans !« rief sie, schon in der Tür, dem General zu.
»Aha, du rechnest also mit meinem Tod?« schrie Babuschka dem General zu. »Raus mit dir! Schmeiß sie alle raus, Alexej Iwanowitsch! Was geht euch das an? Es war mein Geld, das ich verschleudert habe, und nicht eures!«
Der General zuckte mit den Schultern, zog den Kopf ein und verließ das Zimmer. Des Grieux folgte ihm.
»Holt mir die Praskowja her«, befahl Babuschka.
Fünf Minuten später war Marfa mit Polina wieder da. Die ganze Zeit hatte Polina in ihrem Zimmer mit den Kindern verbracht und schien entschlossen, den ganzen Tag dort zu bleiben. Ihre Miene war ernst, traurig und besorgt.
»Praskowja«, begann die Großmutter, »stimmt das, was ich gestern zufällig erfahren habe, daß dieser Dummkopf, dein Stiefvater, die Absicht hat, dieses alberne Flittchen, die Französin, zu ehelichen? Diese Schauspielerin oder vielleicht etwas noch Schlimmeres? Sprich, ist das wahr?«
»Genaueres weiß ich nicht, Babuschka«, antwortete Polina. »Aber aus den Worten der Mademoiselle Blanche persönlich, die daraus kein Geheimnis macht, glaube ich schließen zu können …«
»Das reicht!« unterbrach sie Babuschka energisch. »Ich verstehe alles! Ihm habe ich schon immer alles zugetraut und ihn schon immer für den einfältigsten und leichtsinnigsten Menschen gehalten. Bildet sich wer weiß was auf seinen Generalstitel ein und trägt die Nase hoch, ist aber als Oberst nur bei seinem Abschied befördert worden. Ich weiß, meine Liebe, ich weiß alles, wie ihr ein Telegramm nach dem anderen nach Moskau geschickt habt: ›Geht es noch lange, bis die Alte den Geist aufgibt?‹ Man wartete aufs Erbe; ohne Geld würde ihn dieses
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