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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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betagte, kranke, gehbehinderte Gräfin handele. Babuschka überhäufte ihn lange, zornig und laut mit Vorwürfen über seine Machenschaften und versuchte mit ihm zu handeln, in einem Gemisch von Russisch, Französisch und Deutsch, wobei ich bei der Übersetzung nachhelfen mußte. Der ernsthaft dreinblickende Clerk musterte uns beide und schüttelte schweigend den Kopf. Babuschka betrachtete er mit einem völlig unverhohlenen Interesse, das sogar die Grenzen der Höflichkeit überschritt; endlich begann er zu lächeln.
    »Schluß, pack dich!« schrie die Großmutter ihn an. »Krepieren sollst du an meinem Geld! Wechsle bei ihm, Alexej Iwanowitsch, wir haben keine Zeit, sonst würden wir zu einem anderen fahren …«
    »Der Clerk sagt, andere würden noch weniger geben.«
    Ich kann mich nicht genau an den Kurs erinnern, aber er war furchtbar. Ich erhielt etwa zwölftausend Florin in Gold und Banknoten, ich nahm Rechnung und Geld und übergab alles Babuschka.
    »Nu! Nu! Nu! Schon gut, nicht nachzählen«, rief sie und winkte mit beiden Händen ab, »schneller, schneller, schneller!«
    »Nie mehr werde ich auf dieses verflixte Zéro setzen und auch nicht auf Rot«, murmelte sie, als wir uns dem Casino näherten.
    Diesmal versuchte ich mit größter Mühe, sie zu möglichst geringen Einsätzen zu überreden, indem ich versicherte, daß sie, sobald die Chancen günstiger würden, immer noch rechtzeitig große Einsätze wagen könne. Aber sie war so ungeduldig, daß sie zwar anfangs einwilligte, aber während des Spiels sich nicht mehr zurückhalten ließ. Kaum begannen ihre kleinen Einsätze von etwa zehn bis zwanzig Friedrichsdor zu gewinnen, boxte sie mich – »Siehst du, siehst du, jetzt haben wir gewonnen, hätten wir vier statt zehn gesetzt, hätten wir jetzt viertausend bekommen, und was ist jetzt? Das ist alles deine Schuld, nur deine Schuld!«
    Wie sehr ich mich über sie auch ärgerte, blieb ich am Ende meinem Entschluß treu, zu schweigen und nichts mehr zu raten.
    Plötzlich war des Grieux mit einem Satz an ihrer Seite. Alle drei hielten sich in ihrer Nähe auf; mir war aufgefallen, daß Mademoiselle Blanche mit ihrer Maman etwas abseits stehengeblieben war und sich liebenswürdig mit dem Miniaturfürsten unterhielt. Der General war offensichtlich in Ungnade gefallen. Blanche würdigte ihn nicht einmal eines Blicks, obwohl er sich die erdenklichste Mühe gab, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der arme General! Der wurde bald bleich, bald puterrot, er zitterte geradezu und beachtete nicht einmal das Spiel der Babuschka. Schließlich verließen Blanche und der Miniaturfürst den Saal; der General eilte ihnen nach.
    »Madame, Madame«, flüsterte des Grieux, der sich bis an ihr Ohr durchgedrängt hatte, mit honigsüßer Stimme. »Madame, so setzen nicht gut … non, non, nix gut …« Er radebrechte sogar auf russisch, »njet!«
    »Wie denn? Sag doch mal!« wandte sich Babuschka ihm zu.
    Darauf schwatzte des Grieux plötzlich französisch, erklärte, überschlug sich vor Eifer, redete von einer Chance, die man erwarten solle, rechnete, nannte Zahlen … Babuschka verstand gar nichts. Er wandte sich immer wieder an mich, ich solle übersetzen; er klopfte fortwährend mit einem Finger auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu verschaffen; griff zum Schluß hastig nach einem Bleistift und rechnete irgendwelche Zahlen auf dem Papier zusammen. Der Großmutter riß endlich die Geduld.
    »So, fort mit dir, fort! Nichts wie dummes Zeug! ›Madame, Madame‹, aber von der Sache keine Ahnung. Fort mit dir!«
    »Mais, madame«, zwitscherte des Grieux und wollte schon wieder auf den Tisch klopfen und etwas zeigen. Er fieberte regelrecht.
    »Nun, also setz mal nach seinem Gusto«, befahl mir Babuschka, »mal sehen, vielleicht kommt wirklich etwas dabei heraus.«
    Des Grieux versuchte sie lediglich von großen Einsätzen abzubringen; empfahl kleinere Einsätze, und zwar auf Zahlen, einzeln oder in bestimmten Kombinationen. Ich setzte, nach seiner Anweisung, je einen Friedrichsdor auf die Ungeraden der ersten zwölf und je fünf Friedrichsdor auf die Gruppe von zwölf bis achtzehn und von achtzehn bis vier- undzwanzig: Insgesamt setzten wir sechzehn Friedrichsdor.
    Das Rad drehte sich. »Zéro«, verkündete der Croupier. Wir hatten alles verloren.
    »So ein Dummkopf!« Der Ausruf der Großmutter galt des Grieux. »Du bist ja ein ekliger französischer Schimmelpilz! Und dann erdreistet sich dieser Unmensch auch

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