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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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zweite Polacke weigerte sich ebenfalls, das Feld zu räumen; der eine behauptete sich an ihrer rechten, der andere an ihrer linken Seite. Die ganze Zeit stritten sie miteinander und schimpften über die Einsätze und die Strategie, betitelten einander mit » łájdak « und ähnlichen polnischen Komplimenten, versöhnten sich darauf, setzten völlig bedenkenlos, wie es ihnen gerade einfiel. Hatten sie gerade Streit, setzten sie separat, der eine auf Rot, der andere, gleichzeitig, auf Schwarz. Es endete damit, daß die Babuschka die Übersicht völlig verlor und in ihrer Verzweifelung, beinahe mit Tränen in den Augen, sich an den alten Croupier mit der Bitte wandte, er möge sie von den beiden befreien. Sie wurden tatsächlich auf der Stelle aus dem Saal gewiesen, ungeachtet ihres lauten Geschreis und ihrer Proteste: Beide beschwerten sich lauthals und suchten zu beweisen, daß die Babuschka in ihrer Schuld stünde, daß sie sie betrogen und an ihnen ehrlos und gemein gehandelt habe. Der arme Potapytsch erzählte mir all das unter Tränen am selben Abend, nach der Katastrophe, und beteuerte, die beiden hätten ihre Taschen mit Geld vollgestopft, und er hätte mit eigenen Augen gesehen, wie sie schamlos das Geld hätten verschwinden lassen. Sie hätten, einer wie der andere, Babuschka um fünf Friedrichsdor angebettelt, um sie sofort, unmittelbar nach Babuschkas Einsatz, ebenfalls zu setzen. Babuschka hätte gewonnen, er aber gerufen, er habe gewonnen, und Babuschka – verloren. Als sie aus dem Spielsaal gewiesen wurden, war der Potapytsch vorgetreten und hatte gemeldet, daß ihre Taschen mit Gold gefüllt seien. Babuschka hatte sogleich den Croupier um Beistand gebeten; wie laut sich die Polacken auch wehrten (wie zwei gefangene Hähne), aber die Polizei erschien, und ihre Taschen wurden sofort zu Babuschkas Gunsten entleert. Solange sie noch nicht alles verspielt hatte, erfreute sie sich diesen ganzen Tag sowohl bei den Croupiers als auch bei der Leitung des Casinos sichtlich einer Autorität. Nach und nach verbreitete sich ihr Ruf in der ganzen Stadt. Sämtliche Badegäste, Vertreter aller Nationen, geringes und vornehmes Volk, strömten herzu, um die » vieille comtesse russe tombée en enfance « in Augenschein zu nehmen, die bereits »mehrere Millionen« verloren hätte.
    Aber Babuschka hatte herzlich, herzlich wenig damit gewonnen, daß man sie von den beiden Polacken erlöst hatte. An ihrer Stelle meldete sich unverzüglich zu ihren Diensten ein dritter Pole, der eines makellosen Russisch mächtig und als Gentleman gekleidet war und trotzdem etwas von einem Lakaien an sich hatte, mit mächtigem Schnurrbart und stolzer »honoriger« Haltung. Er war ebenfalls bereit, der Gnädigen »Füße zu küssen« und »unter der Gnädigen Füße sich flach zu legen«, behandelte aber die ganze Umgebung hochmütig und despotisch, mit einem Wort – er spielte sich sogleich nicht als Diener, sondern als Gebieter Babuschkas auf. Jeden Augenblick, mit jedem Einsatz wandte er sich an sie und beteuerte unter den fürchterlichsten Schwüren, er selbst sei » honorowyj pan « und würde von ihr keine Kopeke annehmen. Er wiederholte seine Schwüre so oft, daß Babuschka zu guter Letzt endgültig eingeschüchtert war. Da aber dieser Pan tatsächlich eine gewisse Ordnung in ihr Spiel brachte und anfangs zu gewinnen schien, war es schließlich sie selbst, die nicht von ihm lassen konnte. Eine Stunde später erschienen die beiden Polacken, die man aus dem Casino herauskomplimentiert hatte, bezogen von neuem ihre Positionen hinter dem Rollstuhl Babuschkas und boten von neuem ihre Dienste an, und sei es nur als Laufburschen. Potapytsch rief Gott zum Zeugen an, daß der »honorowyj pan« ihnen zugezwinkert und sogar etwas in die Hand gedrückt habe. Da Babuschka nicht zu Mittag gespeist und ihren Rollstuhl so gut wie gar nicht verlassen hatte, wurde einer der Polen mit einer Aufgabe betreut: Er wurde ins Restaurant des Kurhauses geschickt und brachte von dort eine Tasse Bouillon und dann einen Tee für sie. Dafür waren, übrigens, beide unterwegs. Gegen Abend aber, als es allen klar wurde, daß sie ihren letzten Bankscheck verspielte, drängten sich hinter ihrem Stuhl bereits sechs Polacken, die völlig unbekannt und niemals gesehen worden waren. Als endlich Babuschka ihre letzten Münzen setzte, erkundigten sie sich alle nicht nach ihren Wünschen, sie beachteten sie überhaupt nicht mehr, drängten sich sogar an ihr vorbei an den

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