Der Spion der Fugger Historischer Roman
und schaute die Mexikanerin an, die ebenfalls auf ihrem kleinen Rundgang innegehalten hatte.
»Euer Guacas hat sich geirrt, Prinzessin«, sagte er.
Das schöne Gesicht blieb ausdruckslos. »Vielleicht.« Mehr sagte sie nicht.
Amman Sachs verwunderte diese Reserviertheit ein wenig, wobei er jedoch gestehen musste, dass die gesichteten Segel alles Mögliche bedeuten konnten; schließlich gab es mehr als genug Schiffe, die zwischen Lissabon und den Inseln von Madeira oder den Azoren verkehrten, die ja ebenfalls alle gegen Abend lagen, also im Westen, von wo auch die
Flor de la Mar
erwartet wurde. Und doch wollte Sachs sich an diese Hoffnung klammern. Die Segel, die man gesehen hatte, mussten zu seinem Schiff gehören – es
musste
so sein. Sonst war alles verloren.
Der Weg von der Fugger-Faktorei hinunter zum Tejo und den Hafenanlagen war nicht weit. Und da es von dem Hügel, auf dem das Castelo de So Jorge thronte, zum Fluss bergab ging, konnte man zwischen den Häusern der Stadt hindurch immer wieder einen Blick auf das Meer erhaschen. Es waren mehr als ein Segel, die Amman Sachs nun in rascher Fahrt bereits auf Höhe des Torre de Belem erkennen konnte. Den Agenten der Fugger überkam ein ungutes Gefühl. Das war nicht die
Flor de la Mar
– es war der nachfolgende Konvoi, welcher der Goldgaleone in einem Abstand von rund einer Woche folgen sollte. Acht kleinere und größere Schiffe, die normale Fracht, Handelsware und Passagiere von der Neuen in die Alte Welt transportierten. Normalerweisehätte auch die Goldgaleone sich innerhalb des Schiffsverbandes auf die gefahrvolle Reise begeben, um auf diese Weise zusätzlichen Schutz zu haben – zum Beispiel, wenn ein Sturm eines der Schiffe in Seenot brachte. Wobei es umgekehrt gewiss eher funktioniert hätte, denn aufgrund ihrer schieren Größe war die
Flor de la Mar
das sicherste Schiff und hätte auch die meisten Kanonen innerhalb dieses Konvois getragen. Genau diese gewaltige Bewaffnung aber hatte letztlich zu der Einschätzung geführt, dass die Galeone sich sehr gut würde alleine schützen können, zumal auf einer Überfahrt, die mittlerweile fast zu einer Routine auf dem Atlantik geworden war.
Und so hatte Amman Sachs vor nunmehr fast zwei Monaten die verhängnisvolle Entscheidung getroffen, die
Flor de la Mar
allein auf die Reise über den Atlantik zu schicken – heimlich, um den Überraschungseffekt zu nutzen, falls feindliche Kriegsschiffe an irgendwelchen fernen Küsten dem Konvoi auflauerten.
3.
Vier Monate zuvor in Nombre de Dios, Panama
Was für ein dreckiges Nest dieses Nombre de Dios doch war! Und welch eine Ironie, dass Nombre de Dios nichts anderes bedeutete als »Name Gottes«. Überall Elend und Verwahrlosung, Dreck und Seuchen. Und dazu die unerträgliche Hitze, die Myriaden von Fliegen und die alles durchdringende Feuchtigkeit.
Amman Sachs schwitzte unsäglich in seinen Hosen und dem Wams aus Schafswolle. Er hatte an alles gedacht, nur nicht an die richtige Kleidung. Mit dem Schwitzen kam der Durst. Wasser gab es zwar reichlich in Nombre de Dios, denn es regnete viel und regelmäßig, doch es war kein gutes Wasser. Ausgedehnte Sümpfe umschlossen die Stadt am Fuße der niedrigen Berge. Von diesen Sümpfen stieg ein übler Geruch auf, der fast noch schlimmer war als die Myriaden winziger Insekten, die über jeden ungeschützten Flecken menschlicher Haut herfielen. Wie abscheulich es hier war!
Und die vielen Menschen an diesem offensichtlich von Gott verfluchten Ort verschlimmerten die Situation sogar noch. Es war keine zwei Jahre her, dass die Engländer Nombre de Dios überfallen hatten; wer genau es gewesen war, wusste niemand von denen, die mit Amman Sachs über dieses Thema zu reden bereit waren. Doch dank eines glücklichen Umstands war dem Ort damals die völlige Zerstörung erspart geblieben: Der Anführer der Angreifer war bei den Scharmützeln verwundet und von seinen Leuten so überstürzt in Sicherheit gebracht worden, dass keine Zeit geblieben war, die Schätze des Hafenstützpunkts zu plündern – sehr zur Verwunderung der Einwohner von Nombre de Dios.
Trotzdem waren die Gebäude der von den Spaniern errichteten Siedlung bei dem Angriff stark in Mitleidenschaft gezogen worden, und noch immer waren die Schäden nicht restlos beseitigt. Wie aber auch konnte man hier, mitten im Morast und in beständiger Schwüle, eine Stadt errichten? Wurde auf der einen Seite etwas aufgebaut, faulte es auf der anderen Seite bereits wieder
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