Der Spion der Fugger Historischer Roman
weg.
Dabei war Nombre de Dios ein ungemein wichtiger Ort, liefen hier doch sämtliche Handels- und Transportlinien des Vizekönigreichs Neu-Kastilien zusammen. Man munkelte sogar, dass hier auch die Reichtümer aus den noch weiter westlich gelegenen neuen Gebieten hergeschafft wurden, denn jenseits der Berge Panamas sollte es noch ein weiteres Meer geben, größer sogar als der Atlantik, den Amman Sachs selbst nun zum ersten Mal überquert hatte. Doch wenn er, der Eidgenosse, nach diesem anderen geheimnisvollen Meer fragte, traf er nur auf eine Mauer des Schweigens. Kein Spanier wagte es, mit dem Ausländer darüber zu reden. Und die einheimischen Indios – selbst die, die ein wenig Spanisch sprachen – wussten nichts bis auf ein paar Legenden und Mythen über riesige Königreiche weit jenseits im Westen.
Amman Sachs war im vergangenen August mit der
Nueva Espana
-Flotte von Sevilla aus in die Neue Welt gestartet, voller Stolz und Tatendrang und ausgestattet mit einem der sehr seltenen Passierscheine des spanischen Königs für Nicht-Spanier, um die überseeischen Kolonien besuchen zu dürfen. Seit einigen Jahren gab es jährlich zwei dieser großen Schiffskonvois, die die überseeischen Gebiete der spanischen Krone versorgten, neben der
Nueva Espana
-Flotte, die eigentlich für das Vizekönigreich Neu-Spanien zuständig war, gab es noch das
Tierra Firme
-Geschwader, das später im Jahr nach Neu-Kastilien aufbrach, dafür allerdings eine südlichere Route wählte als der Mittelamerika-Konvoi.
Noch vor wenigen Jahren waren die beiden Flotten, die regelmäßig einmal im Jahr zwischen der Neuen und der Alten Welt verkehrten, gemeinsam die gefährliche und entbehrungsreiche Reise angetreten. Doch es hatte sich gezeigt, dass viel Zeit gespart und viele Gefahren vermieden werden konnten, wenn die Konvois getrennt auf Fahrt gingen. Früher teilte die Armada sich erst nach der gemeinsamen Reise über den Ozean und der darauffolgenden Passage durch den Dominica- oder den Martiniquekanal in die karibische See. Die eine Flotte nahm dann die nördliche Route durch die Karibik, um Mexiko und den Hafen Veracruz zu erreichen; die anderen Schiffe steuerten über Cartagena den Hafen von Nombre de Dios an, wo sie jedes Mal bereits sehnlich erwartet wurden.
Mittlerweile waren die Fahrten in die Kolonien beinahe schon Routine. Und in den Jahren seit der Unterwerfung der indianischen Königreiche der Inkas in Neu-Kastilien, der Mayas vor allem auf der Halbinsel Yucatan und der Mexikaner weiter im Norden, hatten die Spanier viel gelernt über die Verhältnisse in diesen Gewässern, die trotzdem immer noch weitgehend unbekannt waren. So entschieden sie sich schließlich, die großen Handelsflotten getrennt auf die Reise in die Neue Welt zu schicken, um die jeweils besten Winde für die unterschiedlichen Routen im Norden und im Süden ausnutzen zu können. Über nautische und meteorologische Dinge führten die Spanier akribisch Buch.
Amman Sachs faszinierte diese systematische Organisation der Spanier. Jede Reise eines spanischen Schiffes wurde genau protokolliert, jeder Wind, jede Wellenbewegung wurde mit der Tagesund Jahreszeit in Beziehung gesetzt, studiert und notiert. Jede Landsichtung wurde in Karten eingetragen, ja, sogar jede Wolkeam Himmel wurde exakt beobachtet und beschrieben. Zurück in Spanien wurden diese Informationen in Salamanca, der wichtigsten spanischen Universität, zusammengetragen und ausgewertet. Ständig entstanden auf diese Weise neue Karten für die Navigation der Schiffe und neue Anweisungen für die Kapitäne und Admirale, wie sie auf ihren Kommandos am besten vorzugehen hätten. Es war ein faszinierendes, perfekt organisiertes Unternehmen, das bestens funktionierte und einen schier atemberaubenden Profit brachte.
Um so unverständlicher war es, dass sich die »Universidad de los cargadores a las Indias«, wie die reiche und mächtige Organisation der Sevillaner Kaufmannschaft sich seit ihrer Gründung im Jahre 1543 offiziell nannte, ausgerechnet diesen Flecken als ersten Stützpunkt für den Südamerikahandel aussuchte – und dann auch noch »Nombre de Dios« nannte. Die Kaufleute aus Sevilla waren im spanischen Amerika-Geschäft unbestritten die Herrscher; sie waren sogar mit einem königlichen Privileg zur Ausübung einer eigenen Handelsgerichtsbarkeit ausgestattet worden. Damit waren sie in den Kolonien eigentlich keine bloßen Händler mehr, sondern so etwas wie eine Staatsmacht, die nicht nur für
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