Der Spion der Fugger Historischer Roman
ganz nah vor seine Augen führte, um den Goldstrich genauer untersuchen zu können, erklärte er: »Ihr braucht keine Angst um Euer Schmuckstück zu haben; die Menge des Goldes, die dabei verloren geht, ist so gering, dass keine Waage dieser Welt sie messen könnte. Aber zum Erkennen der Güte des verwendeten Goldes ist es doch genug.«
Als der Goldschmied endlich mit der Untersuchung des Goldstrichs auf der Schiefertafel zufrieden schien, nahm er den Glasflakon, öffnete ihn, indem er mit einiger Mühe einen kleinen Glaskolben aus dem Flaschenhals zog, und träufelte dann ein paar Tropfen der klaren Flüssigkeit auf Schiefertafel und Goldstrich. Ein nadelspitzengroßes Luftbläschen wurde an einer Stelle des Goldstrichs sichtbar.
»Unglaublich!«, entfuhr es Bonaventura von Bodeck, der bisher der Prozedur schweigend zugesehen hatte und offenbar wusste, was vor sich ging. Auch der Goldschmied schien über die Maßen erstaunt vom Ergebnis, das seine Untersuchung erbracht hatte. »In der Tat, ich habe so etwas noch nie gesehen! Es ist das reinste Stück Gold, das jemals durch meine Finger gegangen ist!« Er sah Amman Sachs offen ins Gesicht. »Passt nur sehr darauf auf, mein Herr. Es ist von einer unvergleichlichen, beeindruckenden Güte. Dreiundzwanzig, wenn nicht vierundzwanzig Karat, würde ich sagen. Reineres Gold werdet Ihr nirgendwo auf der Welt finden können.«
Nun wandte er sich wieder der Schiefertafel zu. »Aber zur letzten Sicherheit machen wir noch die Nadelprobe.«
Für einen Moment war Amman Sachs irritiert, denn er kannte die Nadelprobe nur als Teil der peinlichen Befragung bei Hexenprozessen, wenn man der Angeklagten eine Nadel in ein Hexenmal jagte, um zu sehen, ob es blutete und Schmerzen verursachte. Blieben Blutfluss und Schmerzempfinden aus, galt die Hexe als überführt – was allerdings selten gelang, wenn man nicht gerade ganz besondere Nadeln dafür verwandte.
Hier aber öffnete der Goldschmied für seine Nadelprobe das bereitgelegte hölzerne Etui, in dem nun verschiedene, aus Gold gearbeitete Nadeln zum Vorschein kamen.
»Dies sind Nadeln bekannter Goldgüte«, erklärte der Goldschmied seinen beiden Zuschauern. »Dieses hier ist beispielsweise eine Nadel aus dreiundzwanzig Karat Gold.«
Der Jude nahm die bezeichnete Nadel und strich mit ihr ebenfalls über die Schiefertafel – genau parallel zum ersten Strich aus dem Gold des mexikanischen Götzen. Wieder tröpfelte der Goldschmied anschließend etwas von der klaren Flüssigkeit aus dem Flakon auf den Stein und den Goldstrich, und diesmal wurden zwei winzige Luftbläschen sichtbar.
»Falls Ihr es Euch fragt: Die Flüssigkeit ist das überaus kostbare und schwer zu beschaffende
aqua fortis
(modern: Salpetersäure), auch
aqua valens
genannt. Im englischen Sprachraum nennt man dieses Elixier
strong water,
was die Natur dieses Wässerchens sehr gut beschreibt. Ihm kann nichts und niemand widerstehen. Seht Euch bloß vor, wenn Ihr mit diesem starken Wasser umgeht, dass Ihr niemals den Kampf mit ihm aufnehmt! Ihr könnt auf keinen Fall siegen. Und die Verletzungen, die es Euch zufügen würde, wären von äußerster Grausamkeit.«
Der Jude ließ das Gesagte einen Moment wirken. Dann fuhr er fort: »Allein das alleine, geläuterte Gold mag dem
aqua fortis
unbeschadet widerstehen. Weshalb es der einzige und beste Weg ist, die Verunreinigung des göttlichen Metalls durch andere, minderwertige Metalle zu entdecken. Ein Gold mag noch so sehr nach Gold aussehen, wenn es im
aqua fortis
in Dampf aufgeht, war es nicht mehr als nur eine gute Täuschung und ohne besonderen Wert.
Aber wenn ein Gold diese Probe besteht so wie Euer Schmuckstück hier, dann ist es eine der besten und wertvollsten Arbeiten, die man für Geld kaufen kann. Seht selbst, die beiden Goldstriche gleichen sich wie Zwillinge!« Und damit hielt der Goldschmied Amman Sachs die Schiefertafel mit den Goldspuren hin, der sie nun ebenfalls ganz nah vor seinen Augen untersuchte. In der Tat, beidegoldenen Linien waren von gleicher Farbe und Intensität.
Ohne zu fragen, nahm der Fugger-Agent nun eine der anderen Goldnadeln aus dem Etui und führte wie zuvor der Jude einen dritten Goldstrich über den Schiefer. Dann legte er die Schiefertafel auf die Werkbank und träufelte ebenfalls von der Flüssigkeit aus dem Fläschchen darauf. Diesmal wurde eine ganze Reihe von Bläschen sichtbar, als sich Metalle minderer Güte in der Probe augenblicklich zu zersetzen begannen.
»Ihr habt da
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