Der Spion der Fugger Historischer Roman
ebenfalls große Ähnlichkeit mit der in Nombre de Dios hatte. Wo so viele Menschen wie in London auf engsten Raum eine Stadt bildeten, waren Dreck und Gestank allgegenwärtige Geißeln der Menschheit.
Auf einem seiner Erkundungsgänge durch London entdeckte Amman Sachs zu seinem allergrößten Erstaunen ein sehr neu und wie ein geputztes Juwel aussehendes Gebäude. Es war die »Royal Exchange«, die neue Londoner Börse, die von eben jenem Thomas Gresham gegründet worden war, an den Amman Sachs sich auf von Bodecks Geheiß hier in London wenden sollte. Amman hatte ein normales Gebäude, vielleicht eine Halle erwartet, in der die Londoner Händlerihre Geschäfte unter sich verabreden konnte. Doch die Royal Exchange war ein Gebäude von gewaltigen Ausmaßen – ein Palast fürwahr, ein vierflügeliger, dreigeschossiger Baumit einem großen,vonArkadengesäumtenInnenhof, wieihn andernorts Könige und Kaiser bewohnen mochten. Hier jedoch war es der Handelshof der Kaufleute, der von der finanziellen Größe Englands kündete.
Amman Sachs betrat durch einen großen Durchgang den Innenhof der Royal Exchange. Er entdeckte eine steinerne Tafel, die an einer der Hauswände eingelassen war. Der Fugger-Agent las zu seiner Überraschung: »Hierda von seiner Exzellenz Sir Thomas Gresham gestiftet und von Ihrer Majestät, Königin Elisabeth I, am 23. Januar des Jahres 1571 seiner Bestimmung übergeben.«
Konnte das sein? Dieses monumentale Gebäude sollte von einem einzigen Mann gestiftet, also finanziert worden sein?
Amman Sachs kannte die Stiftungen seines Prinzipals, des Fuggers. Auch die waren groß in ihrem Wert und eindrucksvoll in ihren Ausmaßen, wenn man sich beispielsweise die Fuggerei in Augsburg anschaute. Aber das Gebäude der Royal Exchange, der Londoner Börse, übertraf alles, was die Fugger je an Prachtbauten errichtet und der Öffentlichkeit gestiftet hatten. Sachs musste sich eingestehen, dass er darauf brannte, diesen Gresham endlich kennen zu lernen. Und der Wunsch des Fugger-Agenten sollte sich schneller erfüllen, als er es für möglich hielt.
Mit langsamen Schritten, den Kopf in den Nacken gelegt, schlenderte Amman Sachs über den Innenhof der Börse. Er bewunderte die Regelmäßigkeit der Gebäude und die Präzision der Fassadengestaltung. Jeder Stein hier schien Ordnung und Gleichmaß auszudrücken.
Zahlreiche Männer in kostbaren Gewändern waren zu sehen, die wie Amman Sachs über den Hof wandelten, jedoch in kleinen Gruppen und in Gespräche vertieft, wie ihr zum Teil heftiges Gestikulieren verriet. Der Fugger-Agent hörte ihm fremde Dialekte. Doch was ihm an diesen Männern vor allem auffiel, waren die auserlesenen Tücher, aus denen die Mäntel und Wamse geschneidert waren.
Sachs sah an sich hinunter. Obwohl sein Anzug nagelneu und vom besten Kleidermacher Antwerpens geschneidert worden war, kam er sich gegenüber den Kaufleuten, die er hier im Hof der Londoner Börse sah, wie ein Bettler in Lumpen vor.
Sachs hatte den würdevollen alten Mann gar nicht bemerkt, der sich ihm genähert hatte, als er die Kaufleute um sich her musterte.
»Ihr müsst Euch über die eitlen Pfauen hier nicht weiter wundern, mein Herr«, richtete der Fremde das Wort an Amman Sachs. »Hier in der Royal Exchange wird vor allem mit Tuch gehandelt. Wenn diese Händler sich morgens ankleiden, ziehen sie sich die besten Auslagen ihres eigenen Krämerladens an.«
Amman Sachs musste lächeln bei der Vorstellung, die diese Worte in seiner Phantasie hervorrief. Er musterte den Mann, der ihn angesprochen hatte. Der Fremde war in weitem schwarzem Samt gekleidet, mit schmalem weißem Kräuselkragen, der oben aus dem hochgeschlossenen Mantel herausschaute. Insgesamt strahlte der Mann jene Strenge aus, wie sie besonders spanischen und deutschen Kaufleuten eigen war.
»Ich wundere mich auch weniger über meinen Aufzug, als dass ich mich seinetwegen gräme. Ich habe mich vor meiner Reise hierher extra neu einkleiden lassen – nach der neuesten Mode, wie mir versichert wurde. Und jetzt sehe ich aus wie ein Pfeifenspieler.« Amman Sachs war ehrlich belustigt. »Ich hätte meine schwarzen Gewänder behalten sollen, wie Ihr sie tragt, mein Herr.«
Eine leichte Veränderung vollzog sich im Gesicht des Fremden. Er schien einen Deut wachsamer zu werden. Amman Sachs erkannte sofort, dass er zu weit gegangen war und mehr von sich preisgegeben hatte, als ratsam gewesen wäre.
»Ihr seid also vom Festland und kleidet Euch gewöhnlich
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