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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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hatten zumindest bewirkt, dass der Fugger-Agent sehr nachdenklich dem nächsten Abschnitt seiner Reise entgegensah.
    Zwei Tage waren sie auf See – die Winde waren sehr ungünstig. Und Amman Sachs litt mehr als auf seinen Reisen zur und von der Neuen Welt. Schließlich aber fuhr der Segler in die Flussmündung der breiten Themse hinein. Ein Lotse wurde in einer halsbrecherischen Aktion in einem Ruderboot an Bord gebracht, und der Kapitän erläuterte Amman Sachs, dass sie ein ganzes Stück den seichten Fluss hinauf fahren müssten, bis zur London Bridge, der ersten festen Querung des Stroms. Die Themse sei berüchtigt, fügte der Kapitän hinzu, für ihre ständig die Lage und Form verändernden Sandbänke, die schon vielen Seefahrern zum Verhängnis geworden seien. Auch diese Information trug nicht wesentlich dazu bei, dass Amman Sachs’ Stimmung sich verbesserte.
    Sie mussten die Einfahrt an die Kais von London bei Tageslicht schaffen, so viel hatte der Fugger-Agent verstanden. Doch auch im Fluss ging die Fahrt nur sehr langsam voran, und es dämmerte bereits, als das seltsame Bild der London Bridge im Westen erschien. Genau neunzehn steinerne Brückenbögen zählte Amman Sachs, unter denen der Fluss sichtbar eingezwängt hindurchströmte. Der Schweizer erblickte gefährliche Strudel und Strömungen. Er hoffte sehr, dass der Lotse sein Geschäft verstand.
    Über den Bögen der London Bridge waren zahlreiche Häuser errichtet worden, von denen Sachs teilweise die unerhörte Zahl von sieben Hochgeschossen zählte. Wie eine Festungsmauer lagen die Gebäudefronten über dem breiten Strom; nur zwei schmale Durchlässe mit je einer Klappbrücke waren an beiden Enden der Brücke erkennbar, wo also auch Segelschiffe mit ihren hohen Masten die Brücke gegen Entrichtung eines Zolls passieren konnten.
    »Seht Ihr das südliche Tor, das Stone Gateway?«, machte der Kapitän seinen Passagier auf ein burgartiges Gebäude aufmerksam, das von ihrer Position aus linker Hand auf der Einfahrt der Brücke lag. »Dort hat man auf langen Pfählen die Köpfe von Verrätern aufgespießt – als Mahnung, wie London und die Briten mit Feinden umzugehen pflegen. William Wallace ist einer der Unseligen, der berühmte Thomas Cromwell ein anderer. Auch Thomas More soll dort oben auf dem Dach des Tores in der Sonne bleichen.«
    Der Fugger-Agent hoffte, dass dieses grausame Symbol kein schlechtes Omen für sein eigenes Vorhaben sei. Und er schaute lieber zu, wie die Seeleute nun mit dem Anlegemanöver gegen den Strom am so genannten Billingsgate unmittelbar vor der London Bridge am Nordufer begannen. Da bereits einige andere Schiffe am Kai lagen, musste ihre Pinasse in zweiter Reihe festmachen, was das Manöver erheblich erschwerte. Doch mit den letzten Sonnenstrahlen war das Schiff fest vertäut, und Amman Sachs konnte den Segler endlich über das Deck einer anderen Pinasse verlassen.
    Mit den Papieren des Herrn von Bodeck, die aus Amman Sachs einen Schweizer Handelskorrespondenten in dessen Diensten machten, konnte er die Zollformalitäten ohne Verzögerung erledigen und sich ein Gasthaus suchen. Sachs entschied sich, ein wenig abseits des Hafens nach einer geeigneten Herberge Ausschau zu halten, und kehrte schließlich im »Ye Olde Cheshire Cheese« auf halber Strecke Richtung Westminster ein, das schräg gegenüber dem »Temple« genannten Bezirk der Londoner Rechtsgelehrten lag.
    Nach einer weiteren Nacht voll düsterer, unheilvoller Albträume in seinem Gastzimmer begann Amman Sachs am nächsten Tag die ihm unbekannte, riesige Stadt zu erkunden. Die Geschäftigkeit der Händler und die allgemein spürbare Aufbruchstimmung erinnerten ihn an seinen Aufenthalt in Nombre de Dios, wo ja ebenfalls die vielen Kaufleute in einer wahren Goldgräberstimmung ihren Transaktionen nachgingen. Hier aber war er nicht in einem wilden Flecken im Urwald in den neuen spanischen Kolonien, hier war er in der wahrscheinlich größten Stadt der bekannten Welt. Und in einem Land fast ohne nennenswerter Bodenschätze, das war das eigentlich Ungewöhnliche. Hatte das neue Amerika Gold, Silber und andere natürliche Ressourcen in schier unerschöpflichen Mengen – die Engländer hier auf den britischen Inseln hatten das alles bekanntermaßen nicht. Und doch wurde hier, so wirkte es zumindest auf Amman Sachs, an allen Ecken und Enden der Stadt eifrig Handel getrieben.
    Allerdings sorgten die Menschenmassen in London auch dafür, dass die hygienische Situation hier

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