Der Spion, der mich jagte - Green, S: Spion, der mich jagte - The Spy Who Haunted Me
wandte sich um und ging, die Nase hoch in der Luft, davon. Walker wandte sich wieder dem See zu. Sein Gesicht war unbewegt, nachdenklich und vollkommen unberührt. Ich entschied, dass ich Walker wohl besser im Auge behielt. Jeder, der Lethal Harmony of Kathmandu niederstarren und sie in die Flucht schlagen konnte, war eindeutig ein Mann, mit dem man rechnen musste.
Katt stakste am Blauen Elf vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, vielleicht, weil sie wusste, dass all ihr Charme und ihre Fähigkeiten an den bekanntlich homosexuellen Halbelben verschwendet waren. Sie hatte nichts, was ihn interessieren konnte, außer vielleicht ein paar Modetipps. Honey sagte in diesem Moment etwas Nützliches, aber Langweiliges über die Notwendigkeit, schnell zu handeln, aber ich sah immer noch zum Blauen Elfen hinüber. Wir alle waren in dieser wilden und urwüchsigen Landschaft fehl am Platz, aber er sah verlorener aus als gewöhnlich. Seine Hände hatte er tief in den Gürtel geschoben und sein Kinn grub sich in seine schlapper werdende Halskrause. Er starrte den schlammigen Boden unter seinen Füßen finster an. Er sah einsam und müde aus und schien mit der Situation überfordert. Meine erste Reaktion war: Gut. Geschieht ihm recht.
Aber - ich kannte Blue schon sehr lange, wie man es auch drehte und wendete. Ich hatte ihn gemocht, ihm vertraut und ihm eine Chance gegeben, sich im Krieg gegen die Hungrigen Götter als Held zu erweisen. Er hatte dieser Chance und damit auch mir den Rücken zugewandt, nur um sich mit seinen arroganten Elbenverwandten versöhnen zu können. Ich hätte das vorausahnen sollen - und es besser wissen müssen. Der Blaue Elf hatte eine lange Geschichte von gebrochenen Versprechungen, kaltblütigem Betrug und anderen Abstürzen. Er behauptete gern, dass er in seinen jungen Tagen jemand Bedeutendes gewesen sei, aber das war eine Lüge. Allerdings hätte es so sein können. Wenn er nicht alles weggeworfen und seinen Schwächen nachgegeben hätte. Und er war ein Halbelb. Einem Elben durfte man niemals trauen. Das wusste jeder. Ich hätte es wirklich nicht persönlich nehmen sollen, dass er mich vor meiner ganzen Familie im Stich gelassen hatte, nachdem ich mich für ihn verbürgt hatte. Dass er mich schlecht hatte aussehen lassen.
Das war es gewesen, was der Blaue Elf getan hatte.
Er hatte einen Torques von den Droods gestohlen und war damit davongekommen. Man musste ihn dafür bewundern. Das hatte niemand bisher geschafft. Das musste man ihm lassen, er konnte wirklich in großen Dimensionen denken. Und vor allem verstand ich wirklich, was Familienzwänge waren, wusste um die Notwendigkeit, gegen besseres Wissen dazugehören zu wollen und akzeptiert zu werden - und auch um all die dummen, selbstzerstörerischen Dinge, die man dafür unwillkürlich tat. Also überließ ich Honey ihrem autoritären Selbstgespräch und schlenderte zum Blauen Elf hinüber. Ich beeilte mich nicht. Ich wollte ihm Zeit geben, selbst zu gehen, wenn er das wollte. Aber er sah sich um, als spüre er, dass ich herankam, hob eine Hand kurz zu dem goldenen Torques, den er um den Hals trug und wandte sich mir dann beinahe trotzig zu. Sein Kopf erhob sich, ein entschlossener Zug um den Mund herum zeigte sich, und er wich nicht zurück. Es war wohl ein langer Weg gewesen von dem gebrochenen und gestrauchelten Mann, den ich mehr tot als lebendig in seiner schäbigen kleinen Wohnung in Wimbledon gefunden hatte. Wenigstens hatte ihm die Begegnung mit dem Rat der Feen etwas Rückgrat verliehen. Ich hielt in respektvollem Abstand zu ihm an und nickte kurz. »Es ist kalt«, sagte ich. »Du hast nicht zufällig einen Flachmann mit Hochprozentigem bei dir, oder?«
Er lächelte kurz, als ob er nicht mehr daran gewöhnt war. Seine Augen waren wachsam. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe das alles aufgegeben, als ich meinen Platz im Rat der Feen eingenommen habe. Darauf bestanden sie. Elben haben einen sehr rigiden Standpunkt, was persönliche Schwächen angeht. Die sind nicht einfach nur verachtet, sondern verboten. Wenn man ein Elb ist, dann ist auch das Versagen übermenschlich. Alles andere ist unserer nicht würdig. Ich vermisse meine alten Sünden, meine alten Schwächen. In etwa so, als würde ich meine Kindheit vermissen, in der ich auch alle Fehler machen durfte, die ich wollte, und sicher sein konnte, dass sie nichts ausmachten. Aber das war vor langer Zeit. Damals war ich eine andere Person. Ich bin endlich erwachsen geworden,
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