Der Spion und der Analytiker
verhören jetzt gerade diesen Mann: bald werden wir wissen, für wen er arbeitet.«
»Sie wären also ein Geheimagent?«
Ogden lächelte.
»Was heißt, wäre, ich bin es. Nicht gerade der beste Umgang für Sie, aber im Augenblick brauchen Sie das.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ist Ihnen nicht eine Patientin abhanden gekommen?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Das geht natürlich vor allem Sie und Ihre Patientin etwas an, aber uns eben auch. Sie sind heute zu Frau Laskos Haus gefahren, und die Hausverwalter haben Ihnen gesagt, daß Frau Lasko abgereist ist. Wenn sie pro Woche drei Sitzungen hatte, und wir wissen, daß es so ist, dann hat Ihre Patientin sechs Sitzungen geschwänzt. Stimmt’s?«
Guthrie nickte überrascht.
»Warum haben Sie sich denn dann nicht schon früher Sorgen gemacht?«
»Es kommt manchmal vor, daß Patienten nicht zu den Sitzungen erscheinen …«
»Gewiß«, räumte Ogden ein, »einmal nicht zu erscheinen ist normal. Aber wenn es dann mehrmals geschieht, lassen es die Patienten ihren Psychoanalytiker im allgemeinen vorher wissen. Muß sich der Analytiker denn keine Sorgen machen, wenn sie einfach nicht erscheinen, ohne sich abgemeldet zu haben?«
Guthrie blickte ihn müde an.
»Was die ersten Sitzungen betrifft, habe ich mir keine großen Sorgen gemacht. Alma, Frau Lasko, hatte gesagt, daß sie übers Wochenende zu Freunden ins Gebirge wollte. Da gab es irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Telefon, ich weiß nicht mehr genau, was. Sie sagte, daß sie mich vielleicht nicht anrufen könne, falls sie noch dort bleiben wolle. Als dann mehrere Tage vergingen, versuchte ich, mich mit ihr in Verbindung zu setzen, aber vergebens.«
»Verstehe. Sie wissen ja wohl, daß sie die Frau eines der bedeutendsten europäischen Pharmahersteller ist …«
Guthrie zuckte die Achseln und trank noch einen Schluck Whiskey.
»Frau Lasko ist bei mir in Analyse, nicht ihr Mann.«
»Natürlich«, räumte Ogden ein. »Ein Psychiater sollte so wenig wie möglich über das Umfeld seiner Patientin wissen.«
»Richtig.«
»Jedenfalls ist Lasko vor zwei Wochen mit seinem Auto von der Grande Corniche gestürzt und dabei umgekommen. Im gleichen Augenblick beschließt seine Frau, wer weiß wohin zu gehen und meldet sich noch nicht einmal bei ihrem Psychoanalytiker ab …«
Guthrie fuhr auf.
»Genug jetzt, sagen Sie mir endlich, worauf Sie hinauswollen.«
»Aber Doktor, regen Sie sich doch nicht auf! Wir wissen, daß Sie heute einen Brief erhalten haben. Wie Sie sehen«, ergänzte er lächelnd, »war die Übertragung dann doch nicht so negativ …«
»Sparen Sie sich Ihre Worte über Dinge, von denen Sie nichts verstehen«, fiel ihm Guthrie schroff ins Wort. »Bringen Sie nur die Leute um, damit kennen Sie sich aus. Leider muß ich zugeben, daß Sie dafür eine Begabung haben; ohne Sie befände ich mich jetzt in einer noch schlimmeren Lage, wenn das überhaupt möglich ist …«
»Und ob das möglich ist. Wahrscheinlich wären Sie, nachdem Sie ein paar furchtbare Stunden durchgemacht hätten, jetzt schon tot. Sie brauchen mir aber nicht dafür zu danken, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe, das gehört zu meiner Arbeit, eine Arbeit, die gewöhnlich nicht so blutig ist. Und was die Terminologie betrifft, haben Sie recht: man soll nicht über Dinge reden, von denen man nichts versteht. Jedenfalls müssen sich auch die Agenten einer Art Analyse unterziehen, falls Sie das nicht wußten. Aber lassen wir das. Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet: haben Sie einen Brief von Alma Lasko erhalten?«
Guthrie sah ihn an.
»Ja, ich habe ihn erhalten, das wissen Sie doch ganz genau. Hören Sie endlich auf mit Ihren Gestapo-Methoden.«
»Was soll ich machen, Verhöre sind eben so. Darf ich wissen, was Frau Lasko Ihnen geschrieben hat?«
»Nein, das dürfen Sie nicht wissen. Hören Sie jetzt auf damit und lassen Sie mich endlich freiwillig laufen, sonst gibt es in Ihrer Laufbahn, die gewiß eine der brillantesten der Welt ist, gleich noch eine Leiche.«
Ogden wollte etwas erwidern, aber Guthrie hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Was meine Patientin geschrieben hat, geht Sie nichts an, auch die Leute nicht, für die Sie arbeiten. Und selbst wenn, würde ich nie zulassen, daß Sie Ihre Nase in diesen Brief stecken, das dürfen Sie mir glauben …«
Sie wurden von Franz unterbrochen, der hereinstürzte.
»Dieser Mistkerl hat die übliche Zyankalikapsel zerbissen und sich ins Jenseits
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