Der Splitter Im Auge Gottes
in Rotation versetzt wurde. Schließlich zeigte ein neuerlicher Heulton an, dass die unangenehmen Schwereänderungen vorüber waren. Mannschaft und Passagiere schnallten sich von Andruckliegen und Gurthalterungen los.
»Lassen Sie die Leute unten ablösen«, befahl Rod.
Renner stand auf und reckte sich ausgiebig. »Das hätten wir also, Käptn«, meinte er.
»Natürlich müssen wir dann abbremsen, wenn die Photosphäre dichter wird, aber das wird nicht so schlimm. Die Reibung bremst uns ohnehin.« Er musterte die Bildschirme und tippte flink einige Fragen an den Computer ein. »Das da draußen ist nicht so dick wie, sagen wir, eine normale Atmosphäre, aber auf jeden Fall ein ganzes Stückchen dichter als ein Sonnenwind.«
Das konnte Blaine selbst sehen. Die Lenin , mit abgeschalteten Maschinen immer noch vorausfliegend, war gerade noch erkennbar. Auf den Bildschirmen war sie ein schwarzer Fleck, dessen Umrisse von viertausend Kilometern rotglühendem Gas verwischt wurden.
Sie begannen allmählich in dichtere Regionen des Auges vorzustoßen. Rod blieb noch eine Stunde auf der Brücke, dann kam ihm zu Bewusstsein, dass er ziemlich rücksichtslos war. »Mr. Renner.«
»Ja, Sir?«
»Sie können sich jetzt ablösen lassen. Mr. Crawford soll übernehmen.« »Aye, aye, Sir.«
Renner machte sich auf den Weg in seine Kabine. Er war bereits vor achtundfünfzig Minuten zu dem Schluss gekommen, dass er auf der Brücke nicht mehr benötigt wurde.
Jetzt winkte ihm eine heiße Dusche und etwas Schlaf in seiner Koje nach den Stunden im Navigatorsitz.
Der Gang vor seiner Kabine war wie üblich voller Menschen, und Kevin Renner drängte sich entschlossen durch – plötzlich stieß jemand heftig mit ihm zusammen.
»Verdammt! Tut mir leid«, fauchte er. Sein Gegenüber kam wieder auf die Füße, indem er sich an Renners Uniformrock festhielt. »Dr. Horvath, nicht wahr?«
»Entschuldigen Sie.« Der Wissenschaftsminister trat einen Schritt zurück und klopfte ungeschickt seine Kleider ab. »Ich habe mich noch nicht an die Fliehkraft gewöhnt.
Keiner von uns kommt mit der Rotationsschwere zurecht. Der Coriolis-Effekt macht uns zu schaffen, wissen Sie.«
»Nein. Die Ellbogen«, sagte Renner unfreundlich. Dann setzte er wieder sein übliches Grinsen auf. »Wissen Sie, Doktor, es sind sechsmal soviel Ellbogen wie Leute in diesem Schiff. Ich hab’s gezählt.«
»Sehr witzig, Mr. – Renner, nicht wahr? Navigator Renner. Hören Sie, Renner, diese Enge geht meinen Leuten genauso auf die Nerven wie Ihren. Wenn wir Ihnen aus dem Weg gehen könnten, würden wir’s tun. Aber das ist unmöglich. Wir müssen möglichst viele Daten über das Auge sammeln. Eine solche Gelegenheit haben wir vielleicht nie wieder.«
»Ich weiß, Doktor. Sie haben mein Verständnis, aber wenn Sie mich jetzt …«
Wunschträume von heißem Wasser und frischem Bettzeug lösten sich auf, als Horvath ihn erneut an den Kragenaufschlägen packte.
»Einen Augenblick noch, bitte.« Horvath schien sich zu irgendeinem Entschluss durchzuringen. »Mr. Renner, Sie waren doch auf der Mac Arthur , als die fremde Raumsonde eingefangen wurde, nicht wahr?« »Na sicher war ich dabei.« »Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Jetzt? Aber, Doktor, ich könnte jeden Augenblick auf der Brücke gebraucht werden …«
»Es ist dringend.«
»Aber wir durchfliegen eben die Photosphäre eines Sterns, wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte.« Und ich habe seit drei Tagen keine heiße Dusche mehr gehabt, wie dir auch nicht entgangen sein wird … Renner warf noch einen Blick auf Horvaths Miene und gab auf. »Also gut, Doktor. Aber machen wir wenigstens den Gang frei.«
In Horvaths Kabine herrschte dieselbe Enge wie überall an Bord, aber sie hatte wenigstens Wände. Drei Viertel der Besatzung hätten solche Wände als unverdienten Luxus angesehen. Horvath tat das anscheinend nicht, nach seinem missmutigen Blick und der Entschuldigung zu schließen, die er murmelte, als sie eintraten.
Er klappte die Schlafpritsche in die Wand zurück und zog auf der anderen Seite zwei Klappsitze herunter. »Setzen Sie sich, Renner. Bei dieser Abfangaktion gibt es einige Dinge, über die ich mir Gedanken mache. Ich hoffe, von Ihnen eine unvoreingenommene Schilderung zu bekommen. Sie sind ja kein Berufsoffizier und sehen Ihre Karriere nicht allein in der Flotte.«
Der Navigator fand nichts dagegen einzuwenden. Er war früher Erster auf einem Handelsschiff gewesen, und wenn er mit reicherer
Weitere Kostenlose Bücher