Der Sprung ins Jenseits
wenige Tage Zeit«, sagte ich. »Meine Forschungsarbeiten sind zwar in diesem Gebiet beendet, aber es warten andere Aufgaben auf mich. Zwischendurch erwartet man mich zur Berichterstattung in Heidelberg. Ich bin dort geblieben, damals. Es ist somit nur ein kurzer Besuch, den ich dir abstatten kann, und ich danke dir und deinem Onkel für die Gastfreundschaft, die man mir entgegenbringt.«
Yü Fang schüttelte den Kopf und lächelte.
»Ich glaube nicht, daß dein Besuch nur von kurzer Dauer sein wird, Alan. Wenn du erfährst, was ich gefunden habe, wirst du niemals mehr nach Heidelberg zurückfahren. Du wirst erkennen, daß nicht die sogenannte Zivilisation das Leben bedeutet, sondern nur die Abgeschiedenheit und die Konzentration in der Einsamkeit. Ich werde dir das Geheimnis des Lebens zeigen – das Geheimnis des niemals endenden Lebens, mein Freund. Du wirst begreifen, daß der Tod nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang ist. Oder nur ein Übergangsstadium, wenn du so willst.« Er stand auf und kam zu mir, um mir die Hand auf die Schulter zu legen. »Geh in dein Zimmer und zieh dich um. Ich warte hier auf dich. Bis gleich.«
Wieder wollte ich protestieren, aber wie unter einem inneren Zwang erhob ich mich und verließ Yüs Zelle. Nebenan war die Tür offen. Ich hatte bemerkt, daß es auch eine Verbindungstür zwischen Yüs und meinem Zimmer gab. Vielleicht war sie verschlossen, und man wußte nicht, wo der Schlüssel war.
Mein Zimmer war ähnlich eingerichtet wie das von Yü. Auf einer niedrigen Holzbank stand ein Holztrog, der mit Wasser gefüllt war. Ein Handtuch und ein Stück tranig riechende Seife vervollständigten die Badeeinrichtung.
Ich zog mich aus und wusch mich von oben bis unten. Meine Lebensgeister erwachten wieder, und ich begann, über Yüs Worte nachzudenken. Sicherlich meinte er nicht alles so, wie er es sagte. Schon als Student hatte er gern in Gleichnissen gesprochen.
Ich bewohnte ein Eckzimmer. Das eine Fenster führte zur Steinebene hinaus, das andere in den Garten des Klosters. Ich bemerkte eine Steinmauer, kiesbedeckte Wege und Gemüsebeete.
Ich hörte, wie nebenan die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Stimmen murmelten, aber ich konnte kein Wort verstehen. Wahrscheinlich war Yüs Onkel gekommen, um seinen Neffen und mich zum Abendessen zu holen. Ich beeilte mich mit dem Anziehen. Als ich zehn Minuten später an Yüs Tür klopfte, war sein Onkel schon wieder gegangen. Er zog mich in sein Zimmer.
»Wir haben noch etwas Zeit bis zum Essen«, sagte er. »Ich weiß, daß du mir etwas erzählen willst. Könntest du es jetzt tun?«
Ich sah an ihm vorbei aus dem Fenster. Die Schatten der Felsen auf der sanft ansteigenden Steinwüste waren länger geworden. Die Sonne sank den Berggipfeln entgegen.
»Als wir uns vor zehn Jahren trennten, Yü; warst du ein anderer Mensch als heute. Wenigstens kommst du mir anders vor. Es kann aber auch sein, daß nur ich mich verändert habe. Ich habe dir immer vertraut, und ich vertraue dir heute noch. Du hast mir damals gesagt, ich solle zu dir kommen, und wir haben beide damals nicht daran geglaubt, daß es einmal Wirklichkeit werden könnte. Jetzt aber bin ich hier, und ich glaube, ich brauche dich.«
Yü nickte.
»Was ist geschehen?« fragte er ruhig. Er sah mich forschend an.
Als ich zu sprechen begann, war mir, als versänken die Klosterzelle und die Gegenwart im Strom der Zeit. Die Vergangenheit kehrte zurück, und ich sah nur noch Yüs fragende Augen.
Ich war etwa zwanzig Jahre alt gewesen, als ich zum erstenmal bemerkte, daß ich anders war als andere Menschen. Ich kann mich heute noch an den Tag erinnern, obwohl er eine Unendlichkeit zurückliegt.
Obwohl ich noch studierte, hatte ich geheiratet. Meine Frau hatte etwas Geld in die Ehe mitgebracht, und so konnte ich mein Studium in Ruhe zu Ende führen. Wir liebten uns sehr und kannten keine Probleme. Zum Glück hatten wir nur wenig Freunde, so daß uns viel Zeit füreinander blieb.
An diesem Abend sagte meine junge Frau zu mir:
»Hättest du nicht einmal Lust, mit mir ins Kino zu gehen?«
Ich sah von meinen Büchern auf.
»Ins Kino?« Dann nickte ich. »Warum eigentlich nicht? Was ist es denn für ein Film?«
»Ein ganz ausgezeichneter Film, wenn man den Kritikern glauben darf. Von Cecil de Mille. Einer dieser sogenannten Kolossalschinken, der in Ägypten spielt. Das interessiert dich doch? Würdest du sonst Historiker werden wollen?«
Ich betrachtete meine Frau mit
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