Der Stalker
Picknicktischen beim sonntäglichen Mittagessen, tranken ihr Bier und genossen den Sonnenschein.
Neben ihm gab Marina Josephina die Flasche. Sie warteten auf ihr Essen und hatten sich beide etwas zu lesen mitgenommen. Marina hatte Doppelte Abfindung aufgegeben und sich wieder Jane Austen zugewandt. Phil kämpfte mit der Sonntagszeitung. Ein Familienidyll, wie man es sich schöner nicht vorstellen konnte.
Wir sind gerne zusammen, dachte er. So, wie es sein sollte.
Sechs Wochen waren seit den dramatischen Ereignissen im Gebäude der Dock Transit Company vergangen. Genügend Zeit, damit Wunden heilen und Veränderungen einsetzen konnten.
Oder auch nicht.
Ben Fenwick hatte es geschafft. Er würde fortan ohne Gallenblase leben müssen, und einige seiner inneren Organe waren so zerfetzt gewesen, dass man sie mühsam wieder hatte zusammenflicken müssen, aber er war auf dem Weg der Genesung. In den Polizeidienst würde er allerdings nicht zurückkehren. Eine interne Ermittlung hatte ergeben, dass er in seinem letzten Fall mehrere eklatante Fehlentscheidungen getroffen und sich insgesamt alles andere als vorbildlich verhalten hatte. Also hatte man, nicht zuletzt mit Hinblick auf seine gesundheitliche Situation, beschlossen, dass eine frühe Pensionierung mit vollem Gehaltsausgleich für alle Beteiligten die beste Lösung wäre.
Rose Martin hatte selbstverständlich jedes Fehlverhalten geleugnet und die Schuld komplett auf Fenwick abgewälzt. Er habe sie mit falschen Versprechungen gelockt, ihr eine Beförderung in Aussicht gestellt, wenn sie ihm sexuelle Gefälligkeiten erweise, und im Laufe der Ermittlungen Dinge von ihr verlangt, von denen sie gewusst hatte, dass sie falsch oder zumindest fragwürdig waren. Angesichts dessen, was sie durchgemacht hatte – die Entführung und Vergewaltigung, wegen der sie sich gegenwärtig noch in Therapie befand –, hatte man ihre Version der Geschichte nicht weiter hinterfragt. Sogar Ben Fenwick widersprach ihr nicht, was, so mutmaßte Phil, entweder ein völlig untypischer Akt der Selbstaufopferung oder der Ausdruck eines schlechten Gewissens war.
Er für seinen Teil wusste, was er zu glauben hatte.
Mark Turner saß in Untersuchungshaft und wartete auf seinen Prozess. Er würde wegen Mordes angeklagt werden. Marina hatte dafür gesorgt, dass er für voll schuldfähig befunden worden war.
Paula Harrison hatte sich ebenfalls gestellt, den Mord an ihrem Mann gestanden und danach versucht, sich umzubringen. Phil empfand tiefes Mitgefühl mit ihr und mehr noch mit ihrer Enkeltochter. Er konnte nur hoffen, dass das arme Kind nicht so aufwachsen würde wie er.
Fiona Welchs Tod hatte jede Menge Fragen aufgeworfen, von denen die drängendste lautete: »Wie um alles in der Welt konnte sie so lange unentdeckt bleiben?« Die Presse hatte sich sofort auf die Geschichte gestürzt. Es folgte eine Flut von Artikeln, Features und Persönlichkeitsanalysen, für die jeder, der irgendwann einmal mit ihr zu tun gehabt hatte, ausfindig gemacht und befragt wurde. Es waren sogar schon diverse Bücher über sie in Arbeit.
Vielleicht hat sie also recht gehabt, dachte Phil, und wird wirklich berühmt.
Zwischen Phil und Marina lief es langsam besser. Die Zeit unmittelbar nach Tonys Tod war schwer gewesen. Phil konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie aus dem Krankenhaus gekommen und zum Wagen gegangen waren.
»Geht es dir gut?«, hatte er Marina gefragt.
»Nein«, hatte sie geantwortet und während der gesamten Heimfahrt kein Wort mehr gesprochen.
Aber in den darauffolgenden Tagen hatten sich die Dinge langsam zum Guten gewendet. Marina konnte sich wieder über das Leben freuen, und sie hatte die Freude an ihrer Tochter und an Phil wiederentdeckt.
Wie die Wunden in Phils Gesicht, so fing auch ihre Seele an zu heilen.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel. Phil nahm einen Schluck Bier und schaute Marina an. Im Gegenlicht sah sie aus, als hätte sie einen Heiligenschein. Er lächelte. Sie war so wunderschön.
Sie nippte an ihrem Gin Tonic.
Josephina fielen die Augen zu, und sie schlief auf Marinas Arm ein.
»Heirate mich«, sagte er.
Sie sah ihn nicht an, sondern blickte weiter geradeaus über das Wasser. Einige Sekunden lang saß sie nur schweigend da.
»Ja«, sagte sie dann.
Eine Träne rollte ihr über die Wange.
Phil beugte sich zu ihr und wischte sie weg.
Die Sonne stand heiß und strahlend am Himmel.
Danksagung
Wieder einmal geht mein Dank an David, Dan, Thalia, Andy und
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