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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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in Feuer oder in mehr als das.« Und kaum, daß Melusine soweit gekommen war, erschien auch schon Cujacius und schritt unter rascher Verbeugung gegen Armgard auf die Gräfin zu, dieser die Hand zu küssen. Sie hatte sich inzwischen gesammelt und stellte vor: »Professor Cujacius… Rittmeister von Stechlin.« Beide verneigten sich gegeneinander, Woldemar ruhig, Cujacius mit dem ihm eignen superioren Apostelausdruck, der, wenn auch ungewollt, immer etwas Provozierendes hatte. »Bin«, so ließ er sich mit einer gewissen Kondeszenz vernehmen, »durch Gräfin Melusine ganz auf dem laufenden. Abordnung, England, Windsor. Ich habe Sie beneidet, Herr Rittmeister. Eine so schöne Reise.«
    »Ja, das war sie, nur leider zu kurz, so daß ich intimeren Dingen, beispielsweise der englischen Kunst, nicht das richtige Maß von Aufmerksamkeit widmen konnte.«
    »Worüber Sie sich getrösten dürfen. Was ich persönlich an solcher Reise jedem beneiden möchte, das sind ausschließlich die großen Gesamteindrücke, der Hof und die Lords, die die Geschichte des Landes bedeuten.«
    »All das war auch mir die Hauptsache, mußt’ es sein. Aber ich hätte mich dem ohnerachtet auch gern um Künstlerisches gekümmert, speziell um Malerisches. So zum Beispiel um die Schule der Präraffaeliten.«
    »Ein überwundener Standpunkt. Einige waren da, deren Auftreten auch von uns (ich spreche von den Künstlern meiner Richtung) mit Aufmerksamkeit und selbst mit Achtung verfolgt wurde. So beispielsweise Millais…«
    »Ah, der . Sehr wahr. Ich erinnere mich seines bedeutendsten Bildes, das leider nach Amerika hin verkauft wurde. Wenn ich nicht irre, zu einem enormen Preise.«
    Cujacius nickte. »Mutmaßlich das vielgefeierte ›Angelusbild‹, was Ihnen vorschwebt, Herr Rittmeister, eine von Händlern heraufgepuffte Marktware, für die Sie glücklicherweise den englischen Millais, will also sagen, den › ais ‹-Millais, nicht verantwortlich machen dürfen. Der Millet, der für eine, wie Sie schon bemerkten, lächerlich hohe Summe nach Amerika hin verkauft wurde, war ein › et ‹-Millet, Vollblutpariser oder wenigstens Franzose.«
    Woldemar geriet über diese Verwechslung in eine kleine Verlegenheit, die Damen mit ihm, alles sehr zur Erbauung des Professors, dessen rasch wachsendes Überlegenheitsgefühl unter dem Eindruck dieses Fauxpas immer neue Blüten übermütiger Laune trieb. »Im übrigen sei mir’s verziehen«, fuhr er, immer leuchtender werdend, fort, »wenn ich mein Urteil über beide kurz dahin zusammenfasse: ›Sie sind einander wert‹, und die zwei großen westlichen Kulturvölker mögen sich darüber streiten, wer von ihnen am meisten genasführt wurde. Der französische Millet ist eine Null, ein Zwerg, neben dem der englische vergleichsweise zum Riesen anwächst, wohlverstanden vergleichsweise. Trotzdem, wie mir gestattet sein mag zu wiederholen, war er zu Beginn seiner Laufbahn ein Gegenstand unsrer hiesigen Aufmerksamkeit. Und mit Recht. Denn das Präraffaelitentum, als dessen Begründer und Vertreter ich ihn ansehe, trug damals einen Zukunftskeim in sich; eine große Revolution schien sich anbahnen zu wollen, jene große Revolution, die Rückkehr heißt. Oder wenn Sie wollen, ›Reaktion‹. Man hat vor solchen Wörtern nicht zu erschrecken. Wörter sind Kinderklappern.«
    »Und dieser englische Millais - den mit dem französischen verwechselt zu haben ich aufrichtig bedaure -, dieser › ais ‹-Millais, dieser große Reformer, ist; wenn ich Sie recht verstehe, sich selber untreu geworden.«
    »Man wird dies sagen dürfen. Er und seine Schule verfielen in Exzentrizitäten. Die Zucht ging verloren, und das straft sich auf jedem Gebiet. Was da neuerdings in der Welt zusammengekleckst wird, zumal in der schottischen und amerikanischen Schule, die sich jetzt auch bei uns breitzumachen sucht, das ist der Überschwang einer an sich beachtenswerten Richtung. Der Zug, der unter Mitteldampf gut und erfreulich fuhr, unter Doppeldampf (und das reicht noch nicht einmal aus) ist er entgleist; er liegt jetzt neben den Schienen und pustet und keucht. Und ein Jammer nur, daß seine Heizer nicht mit auf dem Platze geblieben sind. Das ist der Fluch der bösen Tat… ich verzichte darauf, in Gegenwart der Damen das Zitat zu Ende zu führen.«
    Eine kleine Pause trat ein, bis Woldemar, der einsah, daß irgendwas gesagt werden müsse, sich zu der Bemerkung aufraffte: »Von Neueren hab’ ich eigentlich nur Seestücke kennengelernt; dazu die

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