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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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geschüttelt Maß, gestehen ihm ein hübsches Talent zu; nur verdirbt er alles durch seinen Dünkel. Und so hat er denn keine Freunde, trotzdem er beständig von Richtungsgenossen spricht und auch heute wieder sprach. Gerade diese Richtungsgenossen aber hat er aufs entschiedenste gegen sich, was übrigens nicht bloß an ihm, sondern auch an den Genossen liegt. Gerade die, die dasselbe Ziel verfolgen, bekämpfen sich immer am heftigsten untereinander, vor allem auf christlichem Gebiet, auch wenn es sich nicht um christliche Dogmen, sondern bloß um christliche Kunst handelt. Zu des Professors Lieblingswendungen zählt die, daß er ›in der Tradition stehe‹, was ihm indessen nur Spott und Achselzucken einträgt. Einer seiner Richtungsgenossen - als ob er mich persönlich dafür hätte verantwortlich machen wollen - fragte mich erst neulich voll ironischer Teilnahme: ›Steht denn Ihr Cujacius immer noch in der Tradition?‹ Und als ich ihm antwortete: ›Sie spötteln darüber, hat er denn aber keine?‹, bemerkte dieser Spezialkollege: ›Gewiß hat er eine Tradition, und das ist seine eigne. Seit fünfundvierzig Jahren malt er immer denselben Christus und bereist als Kunst-, aber fast auch schon als Kirchenfanatiker die ihm unterstellten Provinzen, so daß man betreffs seiner beinah sagen kann: ›Es predigt sein Christus allerorten, ist aber drum nicht schöner geworden.‹‹«
    »Melusine, du darfst so nicht weitersprechen«, unterbrach hier Armgard. »Sie wissen übrigens, Herr von Stechlin, wie’s hier steht, und daß ich meine ältere Schwester, die mich erzogen hat (hoffentlich gut), jetzt nachträglich mitunter meinerseits erziehen muß.« Dabei reichte sie Melusine die Hand. »Eben erst ist er fort, der arme Professor, und jetzt schon so schlechte Nachrede. Welchen Trost soll sich unser Freund Stechlin daraus schöpfen? Er wird denken: heute dir, morgen mir.«
    »Du sollst in allem recht haben, Armgard, nur nicht in diesem letzten. Schließlich weiß doch jeder, was er gilt, ob er geliebt wird oder nicht, vorausgesetzt, daß er ein Gentleman und nicht ein Gigerl ist. Aber Gentleman. Da hab’ ich wieder die Einhakeöse für England. Das Schönheitskapitel ist erledigt, war ohnehin nur Caprice. Von all dem andern aber, das schließlich doch wichtiger ist, wissen wir noch immer so gut wie gar nichts. Wie war es im Tower? Und hab’ ich recht behalten mit Traitors-Gate?«
    »Nur in einem Punkt, Gräfin, in Ihrem Mißtrauen gegen meine Phantasie. Die versagte da total, wenn es nicht doch vielleicht an der Sache selbst, also an Traitors-Gate, gelegen hat. Denn an einer anderen Stelle konnt’ ich mich meiner Phantasie beinah berühmen und am meisten da, wo (wie mir übrigens nur zu begreiflich) auch Sie persönlich mit so viel Vorliebe verweilt haben.«
    »Und welche Stelle war das?«
    »Waltham-Abbey.«
    »Waltham-Abbey? Aber davon weiß ich ja gar nichts. Waltham-Abbey kenn’ ich nicht, kaum dem Namen nach.«
    »Und doch weiß ich bestimmt, daß mir Ihr Herr Papa gerade am Abend vor meiner Abreise sagte: ›Das muß Melusine wissen; die weiß ja dort überall Bescheid und kennt, glaub’ ich, Waltham-Abbey besser als Treptow oder Stralau.‹«
    »So bilden sich Renommees«, lachte Melusine. »Der Papa hat das auf gut Glück hin gesagt, hat bloß ein beliebiges Beispiel herausgegriffen. Und nun diese Tragweite! Lassen wir das aber und sagen Sie mir lieber: Was ist Waltham-Abbey? Und wo liegt es?«
    »Es liegt ganz in der Nähe von London und ist eine Nachmittagsfahrt, etwa wie wenn man das Mausoleum in Charlottenburg besucht oder das in der Potsdamer Friedenskirche.«
    »Hat es denn etwas von einem Mausoleum?«
    »Ja und nein. Der Denkstein fehlt, aber die ganze Kirche kann als ein Denkmal gelten.«
    »Als ein Denkmal für wen?«
    »Für König Harald.«
    »Für den, den Editha Schwanenhals auf dem Schlachtfelde von Hastings suchte?«
    »Für denselben.«
    »Ich habe während meiner Londoner Tage das Bild von Horace Vernet gesehn, das den Moment darstellt, wo die schöne Col de Cygne zwischen den Toten umherirrt. Und ich erinnre mich auch, daß zwei Mönche neben ihr herschritten. Aber weiter weiß ich nichts. Und am wenigsten weiß ich, was daraus wurde.«
    »Was daraus wurde, - das ist eben der Schlußakt des Dramas. Und dieser Schlußakt heißt Waltham-Abbey. Die Mönche, deren Sie sich erinnern und die da neben Editha herschritten, das waren Waltham-Abbey-Mönche, und als sie schließlich gefunden

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