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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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auszeichnete, war das Dragonerregiment Mörner. Es ist also kein Derfflingerscher, sondern ein Mörnerscher Dragoner, der, in fliegender Eile, die Nachricht von dem erfochtenen Siege nach Zellin bringt.«
    »Bravo«, sagte Melusine. »Wenn ich je eine richtige Schlußfolgerung gehört habe (die meisten sind Blender), so haben wir sie hier. Herr von Stechlin, ich kann Ihnen nicht helfen, Sie sind besiegt.«
    Dubslav war einverstanden und küßte Melusine die Hand, ohne sich um die mißbilligenden Blicke seiner Schwester zu kümmern, die jetzt ihrerseits auf endliche Vorführung der »beiden Mühlen« drang, ihrer zwei Lieblingsstücke. Diese beiden Mühlen, so versicherte sie, seien das einzige, was hier überhaupt einen Anspruch auf »Museum« erheben dürfe. Beinah war es wirklich so, wie selbst Krippenstapel zugab, trotzdem sich, bis wenigstens ganz vor kurzem, nichts von historischer Kontroverse (die doch schließlich immer die Hauptsache bleibt) daran geknüpft hatte. Neuerdings freilich hatte sich das geändert. Zwei Berliner Herren vom Gewerbemuseum waren über die Mühlen in Streit geraten, speziell über ihren Ursprungsort. Zwar hatte man sich vorläufig dahin geeinigt, daß die Wassermühle holländisch, die Windmühle dagegen (eine richtige alte Bockmühle) eine Nürnberger Arbeit sei; Krippenstapel aber hatte bei diesem Friedensschlusse nur gelächelt. Er war viel zu sehr ernster Wissenschaftsmensch, als daß er nicht hätte herausfühlen sollen, wie diese sogenannte »Beilegung« nichts als eine Verkleisterung war. Der Ausbruch neuer Streitigkeiten stand nahe bevor.
    Die waren aber zunächst wenigstens ausgeschlossen, da beide Schwestern, Armgard wie Melusine, wie Kinder vor einem Lieblingsspielzeug, in einem ganz ausbündigen Vergnügen aufgingen. Die Windmühle klapperte, daß es eine Lust war, und das Rad der Wassermühle, wenn es grad in der Sonne blitzte, gab einen solchen Silberschein, daß es aussah, als fiele das blinkende Wasser wirklich über die Schaufelbretter. All das wurde gesehn und bewundert, und was nicht gesehn wurde, nahm man auf Treu und Glauben mit in den Kauf. Von den Spinnen kam keine zum Vorschein; nur hier und da hingen lange graue Gewebe, was jedoch nur feierlich aussah, und als Mittag heran war, verließ man das »Museum«, um sich erst eine Stunde zu ruhn und dann bei Tische wiederzusehn. Die Gräfin aber, ehe sie den großen, wüsten Raum verließ, trat noch einmal an Krippenstapel heran, um ihn, unter gewinnendstem Lächeln, zu bitten, ihr, sobald ein ernsterer Streit über die beiden Mühlen entbrennen sollte, die betreffenden Schriftstücke nicht vorzuenthalten.
    Krippenstapel versprach alles.
    Auf drei war das Mittagsmahl angesetzt. Schon eine Viertelstunde vorher erschien Lorenzen und traf den alten Dubslav in einer gewissen stattlichen Herrichtung an oder, wie er sich selbst zu Engelke geäußert hatte, »ganz feudal«.
    »Ach, das ist gut, Lorenzen, daß Sie schon kommen. Ich habe noch allerhand auf dem Herzen. Es muß doch was geschehn, eine richtige Begrüßung (denn das gestern abend war zu wenig) oder aber ein solennes Abschiedswort, kurzum irgendwas, das in das Gebiet der Toaste gehört. Und da müssen Sie helfen. Sie sind ein Mann von Fach, und wer jeden Sonntag predigen kann, kann doch schließlich auch ‘ne Tischrede halten.«
    »Ja, das sagen Sie so, Herr von Stechlin. Mitunter ist eine Tischrede leicht und eine Predigt schwer, aber es kann auch umgekehrt liegen. Außerdem, wenn Sie sich nur erst mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, daß es so sein muß, dann geht es auch. Sie werden sehn, das Herz, wie immer, macht den Redner. Und dazu diese Damen, beide von so seltener Liebenswürdigkeit. Was die Gräfin angeht…«
    »Ja«, lachte der Alte, »was die Gräfin angeht… Sie machen sich’s bequem, Pastor. Die Gräfin - wenn sich’s um die handelte, da könnt’ ich’s vielleicht auch. Aber die Komtesse, die hat so was Ernstes. Und dann ist sie zum übrigen auch noch meine Schwiegertochter oder soll es wenigstens werden, und da muß ich doch sprechen wie ‘ne Respektsperson. Und das ist schwer, vielleicht, weil sich in meiner Vorstellung die Gräfin immer vor die Komtesse schiebt.«
    Dubslav sprach noch so weiter. Aber es half ihm nichts; Lorenzen war in seinem Widerstande nicht zu besiegen, und so kam denn die Tisch- und endlich auch die gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte sich schließlich drin gefunden. »Meine lieben Gäste«, hob er an,

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