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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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»geliebte Braut, hochverehrte Brautschwester! Ein andres Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Melusine zu bezeichnen, hat vorläufig die deutsche Sprache nicht, was ich bedaure. Denn das Wort sagt mir lange nicht genug. Wenige Stunden erst ist es, daß ich Sie, meine Damen, an dieser Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag, und schon ist der Abschied da. Währenddem hab’ ich kein ›Du‹ beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch auf meiner Lippe… Teuerste Armgard! dies alte Haus Stechlin also soll Ihre dereinstige Heimstätte werden; Sie werden sie zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe nur das gute Gewissen, Ihnen während dieser kurzen Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden konnte: mein Museum und meinen See. Die Sprudelstelle (die Winterhand lag darauf) hat geschwiegen, aber mein Derfflingerscher Dragoner - in Krippenstapels Abwesenheit darf ich ihn ja wieder so nennen - hat dafür um so deutlicher zu Ihnen gesprochen. Er hat die Zahl 1675 in seiner Standarte und trägt die Siegesnachricht von Fehrbellin ins märkische Land. Erleb’ ich’s noch und gibt Krippenstapel seine Zustimmung, so stell’ ich, kurz oder lang, auch meinerseits einen Dragoner auf meinen Dachreiter (einen Turm hab’ ich nicht) und zwar einen Dragoner vom Regiment Königin von Großbritannien und Irland, und auch er trägt eine Siegesbotschaft ins Land. Nicht die von Königgrätz und nicht die von Mars-la-Tour, aber die von einem gleich gewichtigen Siege. Das Haus Barby lebe hoch und meine liebe Schwiegertochter Armgard!«
    Alle waren bewegt. Am meisten Lorenzen. Als er an den Alten herantrat, flüsterte er ihm zu: »Sehn Sie. Ich wußt’ es.« Armgard küßte dem Alten die Hand, Melusine strahlte. »Ja, die alte Garde!« sagte sie. Nur Schwester Adelheid konnte sich in dieser allgemeinen Freude nicht gut zurechtfinden. Alle Feierungen mußten eben das Maß halten, das sie vorschrieb. Sie hatte den landesüblichen Zug: »Nur nicht zu viel von irgendwas, am wenigsten aber von Huldigungen oder gar von Hingebung.«
    Als man wieder saß, sagte Melusine: »Krippenstapel wird übrigens verstimmt sein, wenn er von Ihrem Trinkspruche hört. Es war doch eigentlich eine erneute feierliche Proklamierung des Derfflingerschen. Und was bei solcher Gelegenheit gesagt wird, das gilt… Interessiert sich übrigens irgendwer für dies Ihr Museum?«
    »Dann und wann ein Mann von Fach. Sonst niemand.«
    »Was Sie verdrießt.«
    »Nein, gnädigste Gräfin. Nicht im geringsten. Ich nehme nicht vieles ernsthaft, und am wenigsten ernsthaft nehm’ ich mein Museum. Es ist freilich von mir ausgegangen und interessierte mich auch eine Weile; hinterher aber hat sich eigentlich alles ohne mich gemacht. Das ist so die Regel. Ist überhaupt erst ein Anfang da, so laufen die Dinge von selber weiter, und die Leute lassen einen nicht wieder los, halten einen fest, man mag wollen oder nicht. Ich hätte vielleicht alles schon längst wieder aufgegeben, man will’s aber nicht. Einigen gereicht es zur Befriedigung, mich für einen Querkopf halten zu können, und andre sprechen wenigstens von Originalitätshascherei. Man muß eben allerhand über sich ergehen lassen.«

Einunddreißigstes Kapitel
    Um fünf Uhr brachen Woldemar und die Barbyschen Damen auf, um den Zug, der um sieben Uhr Gransee passierte, nicht zu versäumen. Es dunkelte schon, aber der Schnee sorgte für einen Lichtschimmer; so ging es über die Bohlenbrücke fort in die Kastanienallee mit ihrem kahlen und übereisten Gezweige hinein.
    Lorenzen war noch im Schlosse zurückgeblieben und setzte sich, um wieder warm zu werden - auf der Rampe war’s kalt und zugig gewesen -, in die Nähe des Kamins, dem alten Dubslav gegenüber. Dieser hatte seinen Meerschaum angezündet und sah behaglich in die Flamme, blieb aber ganz gegen seine Gewohnheit schweigsam, weil eben noch eine dritte Person da war, die von den liebenswürdigen Damen, über die sich auszulassen es ihn in seiner Seele drängte, ganz augenscheinlich nichts hören wollte. Diese dritte Person war natürlich Tante Adelheid. Die wollte nicht sprechen. Andrerseits mußte durchaus der Versuch einer Konversation gemacht werden, und so griff denn Dubslav zu den Gundermanns hinüber, um in ein paar Worten sein Bedauern darüber auszudrücken, daß er die Siebenmühlner nicht habe mit heranziehn können. »Engelke sei so sehr dagegen gewesen.« All dies Bedauern -

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