Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
Vom Netzwerk:
das Wichtigste; da wird dann der Kaffeezeit manches abgeknapst.«
    Und dabei drückte er auf den Knopf der Klingel.
    »Jeserich, noch eine Tasse für Herrn von Stechlin und natürlich einen Cognac oder Curaçao oder lieber die ganze ›Benediktinerabtei‹ - Witz von Cujacius, für den Sie mich also nicht verantwortlich machen dürfen… Leider werde ich Ihnen bei diesem ›zweiten Kaffee‹ nicht Gesellschaft leisten können; ich habe mich schon bei Tische mit einer lügnerisch und bloß anstandshalber in einen Champagnerkübel gestellten Apollinarisflasche begnügen müssen. Aber was hilft es, man will doch nicht auffallen mit all seinen Gebresten.« Dubslav war der Aufforderung des alten Grafen nachgekommen und saß, eine Lampe mit grünem Schirm zwischen sich und ihm, seinem Wirte gerade gegenüber. Jeserich kam mit der Tablette.
    »Den Cognac«, fuhr der alte Barby fort, »kann ich Ihnen empfehlen; noch Beziehungen aus Zeiten her, wo man mit einem Franzosen ungeniert sprechen und nach einer guten Firma fragen konnte. Waren Sie siebzig noch mit dabei?«
    »Ja, so halb. Eigentlich auch das kaum. Aus meinem Regiment war ich lange heraus. Nur als Johanniter.«
    »Ganz wie ich selber.«
    »Eine wundervolle Zeit, dieser Winter siebzig«, fuhr Dubslav fort, »auch rein persönlich angesehn. Ich hatte damals das, was mir zeitlebens, wenn auch nicht absolut, so doch mehr als wünschenswert gefehlt hatte: Fühlung mit der großen Welt. Es heißt immer, der Adel gehöre auf seine Scholle, und je mehr er mit der verwachse, desto besser sei es. Das ist auch richtig. Aber etwas ganz Richtiges gibt es nicht. Und so muß ich denn sagen, es war doch was Erquickliches, den alten Wilhelm so jeden Tag vor Augen zu haben. Hab’ ihn früher immer nur flüchtig gesehn, aber auch das war schon eine Herzensfreude. Sie nennen ihn jetzt den ›Großen‹ und stellen ihn neben Fridericus Rex. Nun, so einer war er sicherlich nicht, an den reicht er nicht ran. Aber als Mensch war er ihm über, und das gibt, mein’ ich, in gewissem Sinne den Ausschlag, wenn auch zur ›Größe‹ noch was anders gehört. Ja, der Alte Fritz! Man kann ihn nicht hoch genug stellen; nur in einem Punkte find’ ich trotzdem, daß wir eine falsche Position ihm gegenüber einnehmen, gerade wir vom Adel. Er war nicht so sehr für uns, wie wir immer glauben oder wenigstens nach außen hin versichern. Er war für sich und für das Land oder, wie er zu sagen liebte, ›für den Staat‹. Aber daß wir als Stand und Kaste so recht was von ihm gehabt hätten, das ist eine Einbildung.«
    »Überrascht mich, aus Ihrem Munde zu hören.«
    »Ist aber doch wohl richtig. Wie lag es denn eigentlich? Wir hatten die Ehre, für König und Vaterland hungern und dursten und sterben zu dürfen, sind aber nie gefragt worden, ob uns das auch passe. Nur dann und wann erfuhren wir, daß wir ›Edelleute‹ seien und als solche mehr ›Ehre‹ hätten. Aber damit war es auch getan. In seiner innersten Seele rief er uns eigentlich genau dasselbe zu wie den Grenadieren bei Torgau. Wir waren Rohmaterial und wurden von ihm mit meist sehr kritischem Auge betrachtet. Alles in allem, lieber Graf, find’ ich unser Jahr dreizehn eigentlich um ein Erhebliches größer, weil alles, was geschah, weniger den Befehlscharakter trug und mehr Freiheit und Selbstentschließung hatte. Ich bin nicht für die patentierte Freiheit der Parteiliberalen, aber ich bin doch für ein bestimmtes Maß an Freiheit überhaupt. Und wenn mich nicht alles täuscht, so wird auch in unsern Reihen allmählich der Glaube lebendig, daß wir uns dabei - besonders auch rein praktisch-egoistisch - am besten stehn.«
    Der alte Barby freute sich sichtlich dieser Worte. Dubslav aber fuhr fort: »Übrigens, das muß ich sagen dürfen, lieber Graf, Sie wohnen hier brillant an Ihrem Kronprinzenufer; ein entzückender Blick, und Fremde würden vielleicht kaum glauben, daß an unsrer alten Spree so was Hübsches zu finden sei. Die Niederlassungs- und speziell die Wohnungsfrage spielt doch, wo sich’s um Glück und Behagen handelt, immer stark mit, und gerade Sie, der Sie so lange draußen waren, werden, ehe Sie hier dies Visavis von unsrer Jungfernheide wählten, nicht ohne Bedenken gewesen sein. In bezug auf die Landschaft gewiß und in bezug auf die Menschen vielleicht.«
    »Sagen wir, auch da gewiß. Ich hatte wirklich solche Bedenken. Aber sie sind niedergekämpft. Vieles gefiel mir durchaus nicht, als ich, nach langen, langen

Weitere Kostenlose Bücher