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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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ist doch auch Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch Fingerhut oder wie Sponholz sagt: ›Die Digitalis.‹« Engelke freilich wollte von diesen Sophistereien nichts wissen, sein Herr aber ließ sich durch solche Zweifel nicht stören und fuhr vielmehr fort: »Und dann, Engelke, macht es doch auch einen Unterschied, von wem eine Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der Buschen, und die Wabe kommt von Krippenstapel. Das heißt also, hinter der Wabe steht ein guter Geist, und hinter den Katzenpfötchen steht ein böser Geist. Und das kannst du mir glauben, an solchen Rätselhaftigkeiten liegt sehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen seine Patsche gibt, so ist das ganz was anders, wie wenn mir Koseleger seine Hand gibt. Koseleger hat solche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.«
    »Aber er is doch ein Superintendent.«
    »Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch höher. Und wenn es nach der Prinzessin geht, wird er Papst. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen; aber viel geb’ ich nicht.«
    Als Dubslav und Engelke dies Gespräch führten, saß Agnes wie gewöhnlich am Fenster, mit halbem Ohre hinhörend, und so wenig sie davon verstand, so verstand sie doch gerade genug. Krippenstapel war ein guter Geist, und ihre Großmutter war ein böser Geist. Aber das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen erzählt würde. Sie hatte schon so vieles in ihrem Leben gehört und war wohl dazu bestimmt, noch viel, viel andres zu hören. Ihr Gesichtsausdruck blieb denn auch derselbe. Sie träumte bloß so hin, und daß sie dies Wesen hatte, das war es recht eigentlich, was den alten Herrn so an sie fesselte. Das Auge, womit sie die Menschen ansah, war anders als das der andern.
    Engelke hatte sich in die nebenan gelegene Dienststube zurückgezogen; ein heller Schein fiel von der Veranda her durch die Balkontür und gab dem etwas dunklen Zimmer mehr Licht, als es für gewöhnlich zu haben pflegte. Dubslav hielt die Kreuzzeitung in Händen und schlug nach einem Brummer, der ihn immer und immer wieder umsummte. »Verdammte Bestie«, und er holte von neuem aus. Aber ehe er zuschlagen konnte, kam Engelke und fragte, ob Uncke den gnädigen Herrn sprechen dürfe.
    »Uncke, unser alter Uncke?«
    »Ja, gnädiger Herr.«
    »Na, natürlich. Kriegt man doch mal wieder ‘nen vernünftigen Menschen zu sehn. Was er nur bringen mag? Vielleicht Verhaftung irgendwo: Demokratennest ausgenommen.«
    Agnes horchte. Verhaftung! Demokratennest ausgenommen! Das war doch noch besser als ein Märchen »vom guten und bösen Geist«.
    Inzwischen war Uncke eingetreten, Backenbart und Schnurrbart, wie gewöhnlich, fest angeklebt. In der Nähe der Tür blieb er stehen und grüßte militärisch. Dubslav aber rief ihm zu: »Nein, Uncke, nicht da. So weit reicht mein Ohr nicht und meine Stimme erst recht nicht. Und ich denke doch, Sie bringen was. Was Reguläres. Also ran hier. Und wenn es nicht was ganz Dienstliches is, so nehmen Sie den Stuhl da.«
    Uncke trat auch näher, nahm aber keinen Stuhl und sagte: »Herr Major wollen entschuldigen. Ich komme so bloß… Der alte Baruch Hirschfeld hat mir erzählt, und die alte Buschen hat mir erzählt…«
    »Ach so, von wegen meiner Füße.«
    »Zu Befehl, Herr Major.«
    »Ja, Uncke, wollte Gott, es stünde besser. Immer denk’ ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ›nu wird es‹. Aber es will nicht mehr; es hilft immer bloß drei Tage. Die Buschen hilft nicht mehr, und Krippenstapel hilft nicht mehr, und Sponholz hilft schon lange nicht mehr; der kutschiert so in der Welt rum. Bleibt also bloß noch der liebe Gott.«
    Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopfbewegung, die seine respektvolle Stellung (aber doch auch nicht mehr) zum lieben Gott ausdrücken sollte. Dubslav sah es und erheiterte sich. Dann fuhr er in rasch wachsender guter Laune fort: »Ja, Uncke, wir haben so manchen Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück - sind noch einer von den Alten. Und der Pyterke auch. Was macht er denn?«
    »Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; schneidig«, und dabei rückte er sich selbst zurecht, wie wenn er die überlegene Stattlichkeit seines Kollegen wenigstens andeuten wolle.
    Dubslav verstand es auch so und sagte: »Ja, der Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Und Sie, Uncke, ja, Sie müssen laufen wie ‘n Landbriefträger. Es hat aber auch sein Gutes; zu Fuß macht geschmeidig, zu Pferde macht steif. Und macht auch faul. Und überhaupt, Gebrüder

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