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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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sind, schon zweimal durch; ich sehe, wir müssen uns was Neues ausbaldowern. Das is nämlich ein Wort aus der Diebssprache; soweit sind wir nu schon. Übrigens ist mir was Gutes eingefallen: hol ihr eine von unsern Wetterfahnen herunter. Die stehn ja da bloß so rum, un wenn ich tot bin und alles abgeschätzt wird - was sie ›ordnen‹ nennen -, dann kommt Kupferschmied Reuter aus Gransee und taxiert es auf fünfundsiebzig Pfennig.«
    »Aber, gnädiger Herr, uns’ Woldemar…«
    »Nu ja, Woldemar. Woldemar ist gut, natürlich, und die Komtesse, seine junge Frau, is auch gut. Alles is gut, und ich hab’ es auch nicht so schlimm gemeint; man red’t bloß so. Nur so viel ist richtig: meine Sammlung oben is für Spinnweb und weiter nichts. Alles Sammeln ist überhaupt verrückt, und wenn Woldemar sich nich mehr drum kümmert, so is es eigentlich bloß Wiederherstellung von Sinn und Verstand. Jeder hat seinen Sparren, und ich habe meinen gehabt. Bring aber nich gleich alles runter. Nur die Mühle bring und den Dragoner.«
    Engelke gehorchte.
    Den ersten Tag, wie sich denken läßt, war Agnes ganz für den Dragoner, der, als man ihn vor Jahr und Tag von seinem Zelliner Kirchturm heruntergeholt hatte, frisch aufgepinselt worden war: schwarzer Hut, blauer Rock, gelbe Hosen. Aber sehr bald hatte sich das Kind an der Buntheit des Dragoners sattgesehen, und nun kam statt seiner die Mühle an die Reihe. Die hielt länger vor. Meistens - wenn sie nur überhaupt erst im Gange war - brauchte das Kind bloß zu pusten, um die Mühlflügel in ziemlich rascher Bewegung zu halten, und der schnurrende Ton der etwas eingerosteten Drehvorrichtung war dann jedesmal eine Lust und ein Entzücken. Es waren glückliche Tage für Agnes. Aber fast noch glücklichere für den Alten.
    Ja, der alte Dubslav freute sich des Kindes. Aber so wohltuend ihm seine Gegenwart war, so war es auf die Dauer doch nicht viel was andres, als ob ein Goldlack am Fenster gestanden oder ein Zeisig gezwitschert hätte. Sein Auge richtete sich gerne darauf, als aber eine Woche und dann eine zweite vorüber war, wurd’ ihm eine gewisse Verarmung fühlbar, und das so stark, daß er fast mit Sehnsucht an die Tage zurückdachte, wo Schwester Adelheid sich ihm bedrücklich gemacht hatte. Das war sehr unbequem gewesen, aber sie besaß doch nebenher einen guten Verstand, und in allem, was sie sagte, war etwas, worüber sich streiten und ein Feuerwerk von Anzüglichkeiten und kleinen Witzen abbrennen ließ. Etwas, was ihm immer eine Hauptsache war. Dubslav zählte zu den Friedliebendsten von der Welt, aber er liebte doch andrerseits auch Friktionen, und selbst ärgerliche Vorkommnisse waren ihm immer noch lieber als gar keine.
    Kein Zweifel, der alte Schloßherr auf Stechlin sehnte sich nach Menschen, und da waren es denn wahre Festtage, wenn Besucher aus Näh’ oder Ferne sich einstellten.
    Eines Tages - es schummerte schon - erschien Krippenstapel. Er hatte seinen besten Rock angezogen und hielt ein übermaltes Gefäß, mit einem Deckel darauf, in seinem linken Arm.
    »Nun, das ist recht; Krippenstapel. Ich freue mich, daß Sie mal nachsehn, ob unser Museum oben noch seinen ›Chef‹ hat. Ich sage ›Chef‹. Der Direktor sind Sie ja selber. Und nun kommen Sie auch gleich noch mit ‘ner Urne. Hat gewiß Ihr Freund Tucheband irgendwo ausgegraben. Oder is es bloß ‘ne Terrine? Himmelwetter, Krippenstapel, Sie werden mir doch nich ‘ne Krankensuppe gekocht haben?«
    »Nein, Herr Major, keine Krankensuppe. Gewiß nicht. Und doch is es einigermaßen so was. Es ist nämlich ‘ne Wabe. Habe da heute mittag einen von meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt haben, Ihnen die beste Wabe zu bringen. Es ist beinah so was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigentlich was Feineres als Geld.«
    »Find’ ich auch. Aber die heutige Menschheit hat für so was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer alles bar und nochmal bar. Oh, das gemeine Geld! Das heißt, wenn man keins hat; wenn man’s hat, ist es soweit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren alten Patron - ein Wort, das übrigens vielleicht zu hoch gegriffen ist und unser Verhältnis nicht recht ausdrückt - gedacht haben! Lorenzen wird es hoffentlich nicht übelnehmen, daß ich Sie, wenn ich mich Ihren ›Patron‹ nenne, so gleichsam avancieren lasse. Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber ich werde mich wohl nicht drüber hermachen dürfen. Immer

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