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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Hasenheide gesehen hatte.
    So kam der Nachmittag heran, und als es schon dunkelte, sagte Engelke: »Ja, gnädiger Herr, wie is das nu mit Agnessen? Sie is immer noch bei Mamsell Pritzbur unten, un die Mächens, wenn sie so singt und tanzt, kucken ihr zu. Sie wird woll auch so was wie die Karline. Soll sie wieder nach Haus, oder soll sie hier bleiben?«
    »Natürlich soll sie hier bleiben. Ich freue mich, wenn ich das Kind sehe. Du hast ja ein gutes Gesicht, Engelke, aber ich will doch auch mal was andres sehn als dich. Wie das lütte Balg da so saß, so steif wie ‘ne Prinzeß, hab’ ich immer hingekuckt und ihr wohl ‘ne Viertelstunde zugesehn, wie da die Stricknadeln immer so hin und her gingen und der rote Strumpf neben ihr baumelte. So was Hübsches hab’ ich nicht mehr gesehn, seit zu Weihnachten die Grafschen hier waren, die blasse Komtesse und die Gräfin. Hat sie dir auch gefallen?«
    Engelke griente.
    »Na, ich sehe schon. Also Agnes bleibt. Und sie kann ja auch nachts mal aufstehn und mir eine Tasse von dem Tee bringen, oder was ich sonst grade brauche, und du alte Seele kannst ausschlafen. Ach, Engelke, das Leben is doch eigentlich schwer. Das heißt, wenn’s auf die Neige geht; vorher is es soweit ganz gut. Weißt du noch, wenn wir von Brandenburg nach Berlin ritten? In Brandenburg war nich viel los; aber in Berlin, da ging es.«
    »Ja, gnädiger Herr. Aber nu kommt es.«
    »Ja, nu kommt es. Nu is Katzenpfötchen dran. So was gab es damals noch gar nicht. Aber ich will nichts sagen, sonst wird die Buschen ärgerlich, und mit alten Weibern muß man gut stehn; das is noch wichtiger als mit jungen. Und, wie gesagt, die Agnes bleibt. Ich sehe so gern was Zierliches. Es is ein reizendes Kind.«
    »Ja, das is sie. Aber…«
    »Ach, laß die ›Abers‹. Du sagst, sie wird wie die Karline. Möglich is es. Aber vielleicht wird sie auch ‘ne Nonne. Man kann nie wissen.«
    Agnes blieb also bei Dubslav. Sie saß am Fenster und strickte. Mal in der Nacht, als ihm recht schlecht war, hatte er nach dem Kinde rufen wollen. Aber er stand wieder davon ab. »Das arme Kind, was soll ich ihm den Schlaf stören? Und helfen kann es mir doch nicht.«
    So verging eine Woche. Da sagte der alte Dubslav: »Engelke, das mit der Agnes, das kann ich nich mehr mit ansehn. Sie sitzt da jeden Morgen und strickt. Das arme Wurm muß ja hier umkommen. Und alles bloß, weil ich alter Sünder ein freundliches Gesicht sehn will. Das geht so nich mehr weiter. Wir müssen sehn, daß wir was für das Kind tun können. Haben wir denn nicht ein Buch mit Bildern drin oder so was?«
    »Ja, gnädiger Herr, da sind ja noch die vier Bände, die wir letzte Weihnachten bei Buchbinder Zippel in Gransee haben einbinden lassen. Eigentlich war es bloß ‘ne ›Landwirtschaftliche Zeitung‹, und alle, die mal ‘nen Preis gewonnen haben, die waren drin. Und Bismarck war auch drin un Kaiser Wilhelm auch.«
    »Ja, ja, das is gut; das gib ihr. Und brauchst ihr auch nich zu sagen, daß sie keine Eselsohren machen soll; die macht keine.«
    Wirklich, die »Landwirtschaftliche Zeitung« lag am andern Morgen da, und Agnes war sehr glücklich, mal was andres zu haben als ihr Strickzeug und die schönen Bilder ansehn zu können. Denn es waren auch Schlösser drin und kleine Teiche, drauf Schwäne fuhren, und auf einem Bilde, das eine Beilage war, waren sogar Husaren. Engelke brachte jeden Morgen einen neuen Band, und mal erschien auch Elfriede, die Lorenzen, um nach Dubslavs Befinden fragen zu lassen, von der Pfarre herübergeschickt hatte. »Die kann sich ja die Bilder mit ansehen«, sagte Dubslav; »am Ende macht es ihr selber auch Spaß, und vielleicht kann sie dem kleinen Ding, der Agnes, alles so nebenher erklären, und dann is es so gut wie ‘ne Schulstunde.«
    Elfriede war gleich dazu bereit. Und nun standen die beiden Kinder nebeneinander und blätterten in dem Buch, und die Kleine sog jedes Wort ein, was die Große sagte. Dubslav aber hörte zu und wußte nicht, wem von beiden er ein größeres Interesse zuwenden sollte. Zuletzt aber war es doch wohl Elfriede, weil sie den wehmütigen Zauber all derer hatte, die früh abberufen werden. Ihr zarter, beinahe körperloser Leib schien zu sagen: »Ich sterbe.« Aber ihre Seele wußte nichts davon; die leuchtete und sagte: »Ich lebe.«
    Das mit den Bilderbüchern dauerte mehrere Tage. Dann sagte Dubslav: »Engelke, das Kind fängt heute schon wieder von vorn an; es ist mit allen vier Bänden, so dick sie

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