Der Stechlin.
grünen anfingen, und dazwischen Ebereschensträucher wuchsen um den Chor herum.
Der Tote war auf dem durch Palmen und Lorbeer in eine grüne Halle umgewandelten Hausflur aufgebahrt. Adelheid machte die Honneurs, und ihre hohen Jahre, noch mehr aber ihr Selbstbewußtsein, ließen sie die ihr zuständige Rolle mit einer gewissen Würde durchführen. Außer den Barbys, Vater und Tochter, waren, von Berlin her, noch Baron und Baronin Berchtesgaden gekommen, ebenso Rex und Hauptmann von Czako. Rex sah aus, als ob er am Grabe sprechen wolle, während sich Czako darauf beschränkte, das gesellschaftliche Durchschnittstrauermaß zu zeigen.
Aber diese Berliner Gäste verschwanden natürlich in dem Kontingent, das die Grafschaft gestellt hatte. Dieselben Herren, die sich - kaum ein halbes Jahr zurück - am Rheinsberger Wahltage zusammengefunden und sich damals, von ein paar Ausnahmen abgesehen, über Torgelows Sieg eigentlich mehr erheitert als geärgert hatten, waren auch heute wieder da: Baron Beetz, Herr von Krangen, Jongherr van dem Peerenboom, von Gnewkow, von Blechernhahn, von Storbeck, von Molchow, von der Nonne, die meisten, wie herkömmlich, mit sehr kritischen Gesichtern. Auch Direktor Thormeyer war gekommen, in pontificalibus, angetan mit so vielen Orden und Medaillen, daß er damit weit über den Landadel hinauswuchs. Einige stießen sich denn auch an, und Molchow sagte mit halblauter Stimme zu von der Nonne: »Sehn Sie, Nonne, das ist die ›Schmetterlingsschlacht‹, von der man jetzt jeden Tag in den Zeitungen liest.« Aber trotz dieser spöttischen Bemerkung wäre Thormeyer doch Hauptgegenstand aller Aufmerksamkeit geblieben, wenn nicht der jeden Ordensschmuck verschmähende, nur mit einem hochkragigen und uralten Frack angetane Edle Herr von Alten-Friesack ihm siegreiche Konkurrenz gemacht hätte. Das wendisch Götzenbildartige, das sein Kopf zeigte, gab auch heute wieder den Ausschlag zu seinen Gunsten. Er nickte nur pagodenhaft hin und her und schien selber an die vom ältesten Adel die Frage zu richten: »Was wollt ihr hier?« Er hielt sich nämlich (worin er einer ererbten Geschlechtsanschauung folgte) für den einzig wirklich berechtigten Bewohner und Vertreter der ganzen Grafschaft.
Das waren so die Hauptanwesenden. Alles stand dichtgedrängt, und von Blechernhahn, der in bezug auf »Schneid« beinah an von Molchow heranreichte, sagte: »Bin neugierig, was der Lorenzen heute loslassen wird. Er gehört ja zur Richtung Göhre.«
»Ja, Göhre«, sagte von Molchow. »Merkwürdig, wie der Zufall spielt. Das Leben macht doch immer die besten Witze.«
Weiter kam es mit dieser ziemlich ungeniert geführten Unterhaltung nicht, weil sich, als Molchow eben seinen Pfeil abgeschossen hatte, die Gesamtaufmerksamkeit auf jene Flurstelle richtete, wo der aufgebahrte Sarg stand. Hier war nämlich, und zwar in einem brillant sitzenden und mit Atlasaufschlägen ausstaffierten Frack, in eben diesem Augenblicke der Rechtsanwalt Katzenstein erschienen und schritt, nachdem er einen Granseeschen Riesenkranz am Fußende des Sarges niedergelegt hatte, mit jener Ruhe, wie sie nur das gute Gewissen gibt, auf Adelheid zu, vor der er sich respektvollst verneigte. Diese bewahrte gute Haltung und dankte. Von verschiedenen Seiten her aber hörte man leise das Wort »Affront«, während ein in unmittelbarer Nähe des Edlen Herrn von Alten-Friesack stehender, erst seit kurzem zum Christentum und Konservatismus übergetretener Katzensteinscher Kollege lächelnd vor sich hin murmelte: »Schlauberger!«
Und nun war es Zeit.
Der Zug ordnete sich, Militärmusik aus der nächsten Garnison schritt voran; dann traten die Stechliner Bauern heran, die darum gebeten hatten, den Sarg tragen zu dürfen. Diener und Mädchen aus dem Hause nahmen die Kränze. Dann kam Adelheid mit Pastor Lorenzen, an die sich die Trauerversammlung (viele von ihnen in Landstandsuniform) unmittelbar anschloß. Draußen sah man, daß eine große Zahl kleiner Leute Spalier gebildet hatten. Das waren die von Globsow. Sie hatten bei der Rheinsberger Wahl alle für Torgelow oder doch wenigstens für Katzenstein gestimmt; jetzt aber, wo der Alte tot war, waren sie doch vorwiegend der Meinung: »He wihr so wiet janz good.«
Die Musik klang wundervoll; kleine Mädchen streuten Blumen, und so ging es den etwas ansteigenden Kirchhof hinauf, zwischen den Gräbern hindurch und zuletzt auf das uralte, niedrige Kirchenportal zu. Vor dem Altar stellten sie den Sarg auf einen mit
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