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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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schließlich aushalten. Aber der Fußboden und der Zug durch die offenstehende Tür. Und wenn man noch bloß den kriegte. Wer aber Pech hat, der kommt, wenn’s Winter is, dicht neben einen Kanonenofen zu stehn, und wenn ich sage, ›der pustet‹, so sag’ ich noch wenig. Und der Geistliche kann einem auch leid tun. Er spricht sozusagen für niemanden. Wer kann denn bei solchem Zug und solchem Ofenpusten ordentlich zuhören? Und bloß das weiß ich, daß ich immer an die drei Männer im feurigen Ofen gedacht habe. So halb Eisklumpen, halb Bratapfel is nich mein Fall.«
    »Ja, die Berliner«, sagte Nonne. »Nich zu glauben.«
    »Nich zu glauben. Und dabei bilden sie sich ein, sie hätten eigentlich alles am besten. Und mancher von ihnen glaubt es auch wirklich. Aber die Hölle lacht.«
    »Ich bitte Sie, Molchow, menagieren Sie sich! Das über Berlin, na, das ginge vielleicht noch. Aber so gleich hier von Hölle, hier mitten auf ‘nem christlichen Kirchhof…«
    Bald danach hatte sich der Kirchhof geleert, und alles, was in der Grafschaft wohnte, war auf dem Heimwege. Nur die von Berlin her erschienenen Gäste, die den nächsten, an Gransee vorüberkommenden Rostocker Zug abzuwarten hatten, waren in das Herrenhaus zurückgekehrt, wo mittlerweile für einen Imbiß Sorge getragen war. Rex und Czako, desgleichen auch die Berchtesgadens, nahmen erst ein Glas Wein und dann eine Tasse Kaffee. Zwischen dem alten Grafen und Adelheid knüpfte sich ein mäßig belebtes Gespräch an, wobei der Graf der Vorzüge des Verstorbenen gedachte. Da Schwester Adelheid jedoch, wie so viele Schwestern, allerlei Zweifel und Bedenken hinsichtlich des Tuns und Treibens ihres Bruders hegte, so ging man bald zu den Kindern über und beklagte, daß sie bei einer so schönen Feier nicht hätten zugegen sein können. Dazwischen wurde dann freilich das fast entgegengesetzt klingende Bedauern laut, daß das junge Paar seinen Aufenthalt im Süden wohl werde abbrechen müssen. Der alte Graf in seiner Güte fand alles, was Adelheid sagte, sehr verständig, während sich Adelheids Gefühle mit der Anerkennung begnügten, daß sie sich den Alten eigentlich schlimmer gedacht habe.

Vierundvierzigstes Kapitel
    Melusine war aus der Kirche mit in das Herrenhaus zurückgekehrt und widmete sich hier auf eine kurze Weile zunächst ihren Freunden, den Berchtesgadens, dann Rex und Czako. Danach ging sie in die Pfarre hinüber, um Lorenzen zu danken und noch ein kurzes Gespräch mit ihm über Woldemar und Armgard zu haben, im wesentlichen eine Wiederholung alles dessen, was sie schon während ihres Weihnachtsbesuches mit ihm durchgesprochen hatte. Sie verplauderte sich dabei wider Wunsch und Willen, und als sie schließlich nach dem Herrenhause zurückkehrte, begegnete sie bereits jener Aufbruchsunruhe, die kein ernstes Eingehen auf irgendein Thema mehr zuläßt. Sie beschränkte sich deshalb auf ein paar Worte mit Tante Adelheid. Daß man sich gegenseitig nicht mochte, war der einen so gewiß wie der andern. Sie waren eben Antipoden: Stiftsdame und Weltdame, Wutz und Windsor, vor allem enge und weite Seele.
    »Welch ein Mann, Ihr Pastor Lorenzen«, sagte Melusine. »Und zum Glück auch noch unverheiratet.«
    »Ich möchte das nicht so betonen und noch weniger es beloben. Es widerspricht dem Beispiele, das unser Gottesmann gegeben, und widerspricht auch wohl der Natur.«
    »Ja, der Durchschnittsnatur. Es gibt aber, Gott sei Dank, Ausnahmen. Und das sind die eigentlich Berufenen. Eine Frau nehmen ist alltäglich.«
    »Und keine Frau nehmen ist ein Wagnis. Und die Nachrede der Leute hat man noch obenein.«
    »Diese Nachrede hat man immer. Es ist das erste, wogegen man gleichgültig werden muß. Nicht in Stolz, aber in Liebe.«
    »Das will ich gelten lassen. Aber die Liebe des natürlichen Menschen bezeigt sich am besten in der Familie.«
    »Ja, die des natürlichen Menschen…«
    »Was ja so klingt, Frau Gräfin, als ob Sie dem Unnatürlichen das Wort reden wollten.«
    »In gewissem Sinne ›ja‹, Frau Domina. Was entscheidet, ist, ob man dabei nach oben oder nach unten rechnet.«
    »Das Leben rechnet nach unten.«
    »Oder nach oben; je nachdem.«
    Es klang alles ziemlich gereizt. Denn so leichtlebig und heiter Melusine war, einen Ton konnte sie nicht ertragen, den sittlicher Überheblichkeit. Und so war eine Gefahr da, sich die Schraubereien fortsetzen zu sehen. Aber die Meldung, daß die Wagen vorgefahren seien, machte dieser Gefahr ein Ende. Melusine brach ab

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