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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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waren sie bis an den hochüberwölbten Teil der Kastanienallee gekommen.
    Engelke, der gleich frühmorgens ein allerschönstes Wetter in Aussicht gestellt hatte, hatte recht behalten; es war ein richtiger Oktobertag, klar und frisch und milde zugleich. Die Sonne fiel hie und da durch das noch ziemlich dichte Laub, und die Reiter freuten sich des Spieles der Schatten und Lichter. Aber noch anmutiger gestaltete sich das Bild, als sie bald danach in einen Seitenweg einmündeten, der sich durch eine flache, nur hie und da von Wasserlachen durchzogene Wiesenlandschaft hinschlängelte. Die großen Helden und Forsten, die das eigentlich Charakteristische dieses nordöstlichen Grafschaftswinkels bilden, traten an dieser Stelle weit zurück, und nur ein paar einzelne, wie vorgeschobene Kulissen wirkende Waldstreifen wurden sichtbar.
    Alle drei hielten an, um das Bild auf sich wirken zu lassen; aber sie kamen nicht recht dazu, weil sie, während sie sich umschauten, eines alten Mannes ansichtig wurden, der, nur durch einen flachen Graben von ihnen getrennt, auf einem Stück Wiese stand und das hochstehende Gras mähte. Jetzt erst sah auch er von seiner Arbeit auf und zog seine Mütze. Die Herren taten ein Gleiches und schwankten, ob sie näher heranreiten und eine Ansprache mit ihm haben sollten. Aber er schien das weder zu wünschen noch zu erwarten, und so ritten sie denn weiter.
    »Mein Gott«, sagte Rex, »das war ja Krippenstapel. Und hier draußen, so weit ab von seiner Schule. Wenn er nicht die Seehundsfellmütze gehabt hätte, die wie aus einer konfiszierten Schulmappe geschnitten aussah, hätt’ ich ihn nicht wieder erkannt.«
    »Ja, er war es, und das mit der Schulmappe wird wohl auch zutreffen«, sagte Woldemar. »Krippenstapel kann eben alles - der reine Robinson.«
    »Ja, Stechlin«, warf Czako hier ein, »Sie sagen das so hin, als ob Sie’s bespötteln wollten. Eigentlich ist es doch aber was Großes, sich immer selber helfen zu können. Er wird wohl ‘nen Sparren haben, zugegeben, aber Ihrem gepriesenen Lorenzen ist er denn doch um ein gut Stück überlegen. Schon weil er ein Original ist und ein Eulengesicht hat. Eulengesichtsmenschen sind anderen Menschen fast immer überlegen.«
    »Aber Czako, ich bitte Sie, das ist ja doch alles Unsinn. Und Sie wissen es auch. Sie möchten nur, ganz wie Rex, wenn auch aus einem andern Motiv, dem armen Lorenzen was am Zeug flicken, bloß weil Sie herausfühlen: ›Das ist eine lautere Persönlichkeit.‹«
    »Da tun Sie mir unrecht, Stechlin. Ganz und gar. Ich bin auch fürs Lautere, wenn ich nur persönlich nicht in Anspruch genommen werde.«
    »Nun, davor sind Sie sicher - vom Brombeerstrauch keine Trauben. Im übrigen muß ich hier abbrechen und Sie bitten, mich auf ein Weilchen entschuldigen zu wollen. Ich muß da nämlich nach dem Forsthause hinüber, da drüben neben der Waldecke.«
    »Aber Stechlin, was wollen Sie denn bei ‘nem Förster?«
    »Kein Förster. Es ist ein Oberförster, zu dem ich will, und zwar derselbe, den Sie gestern abend bei meinem Papa gesehn haben. Oberförster Katzler, bürgerlich, aber doch beinah schon historischer Name.«
    »So, so; jedenfalls nach dem, was mir Rex erzählt, ein brillanter Billardspieler. Und doch, wenn Sie nicht ganz intim mit ihm sind, find’ ich diesen Abstecher übertrieben artig.«
    »Sie hätten recht, Czako, wenn es sich lediglich um Katzler handelte. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich nicht um ihn, sondern um seine junge Frau.«
    »A la bonne heure.«
    »Ja, da sind Sie nun auch wieder auf einer falschen Fährte. So was kann nicht vorkommen, ganz abgesehen davon, daß mit Oberförstern immer schlecht Kirschen pflücken ist; die blasen einen weg, man weiß nicht wie… Es handelt sich hier einfach um einen Teilnahmebesuch, um etwas, wenn Sie wollen, schön Menschliches. Frau Katzler erwartet nämlich.«
    »Aber mein Gott, Stechlin, Ihre Worte werden immer rätselhafter. Sie können doch nicht bei jeder Oberförstersfrau, die ›erwartet‹, eine Visite machen wollen. Das wäre denn doch eine Riesenaufgabe, selbst wenn Sie sich auf Ihre Grafschaft hier beschränken wollten.«
    »Es liegt alles ganz exzeptionell. Übrigens mach’ ich es kurz mit meinem Besuch, und wenn Sie Schritt reiten, worum ich bitte, so hol’ ich Sie bei Genshagen noch wieder ein. Von da bis Wutz haben wir kaum noch eine Stunde, und wenn wir’s forcieren wollen, keine halbe.«
    Und während er noch so sprach, bog er rechts ein und

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