Der Stechlin.
ritt auf das Forsthaus zu.
Woldemar hatte die Mitte zwischen Rex und Czako gehabt; jetzt ritten diese beiden nebeneinander. Czako war neugierig und hätte gern Fritz herangerufen, um dies und das über Katzler und Frau zu hören. Aber er sah ein, daß das nicht ginge. So blieb ihm nichts als ein Meinungsaustausch mit Rex.
»Sehn Sie«, hob er an, »unser Freund Woldemar, trabt er da nicht hin, wie wenn er dem Glücke nachjagte? Glauben Sie mir, da steckt ‘ne Geschichte dahinter. Er hat die Frau geliebt oder liebt sie noch. Und dies merkwürdige Interesse für den in Sicht stehenden Erdenbürger. Übrigens vielleicht ein Mädchen. Was meinen Sie dazu, Rex?«
»Ach, Czako, Sie wollen ja doch nur hören, was Ihrer eignen frivolen Natur entspricht. Sie haben keinen Glauben an reine Verhältnisse. Sehr mit Unrecht. Ich kann Ihnen versichern, es gibt dergleichen.«
»Nun ja, Sie, Rex. Sie, der sich Frühgottesdienste leistet. Aber Stechlin…«
»Stechlin ist auch eine sittliche Natur. Sittlichkeit ist ihm angeboren, und was er von Natur mitbrachte, das hat sein Regiment weiter in ihm ausgebildet.«
Czako lachte. »Nun hören Sie, Rex, Regimenter kenn’ ich doch auch. Es gibt ihrer von allen Arten, aber Sittlichkeitsregimenter kenn’ ich noch nicht.«
»Es gibt’s ihrer aber. Zum mindesten hat’s ihrer immer gegeben, sogar solche mit Askese.«
»Nun ja, Cromwell und die Puritaner. Aber ›long, long ago‹. Verzeihen Sie die abgedudelte Phrase. Aber wenn sich’s um so feine Dinge wie Askese handelt, muß man notwendig einen englischen Brocken einschalten. In Wirklichkeit bleibt alles beim alten. Sie sind ein schlechter Menschenkenner, Rex, wie alle Konventikler. Die glauben immer, was sie wünschen. Und auch an unserm Stechlin werden Sie mutmaßlich erfahren, wie falsch Sie gerechnet haben. Im übrigen kommt da gerade zu rechter Zeit ein Wegweiser. Lassen Sie uns nachsehen, wo wir eigentlich sind. Wir reiten so immer drauflos und wissen nicht mehr, ob links oder rechts.«
Rex, der von dem Wegweiser nichts wissen wollte, war einfach für Weiterreiten, und das war auch das Richtige. Denn keine halbe Stunde mehr, so holte Stechlin sie wieder ein. »Ich wußte, daß ich Sie noch vor Genshagen treffen würde. Die Frau Oberförsterin läßt sich übrigens den Herren empfehlen. Er war nicht da, was recht gut war.«
»Kann ich mir denken«, sagte Czako.
»Und was noch besser war, sie sah brillant aus. Eigentlich ist sie nicht hübsch, Blondine mit großen Vergißmeinnichtaugen und etwas lymphatisch; auch wohl nicht ganz gesund. Aber sonderbar, solche Damen, wenn was in Sicht steht, sehen immer besser aus als in natürlicher Verfassung, ein Zustand, der allerdings bei der Katzler kaum vorkommt. Sie ist noch nicht volle sechs Jahre verheiratet und erwartet mit nächstem das Siebente.«
»Das ist aber doch unerhört. Ich glaube, so was ist Scheidungsgrund.«
»Mir nicht bekannt und auch, offen gestanden, nicht sehr wahrscheinlich. Jedenfalls wird es die Prinzessin nicht als Scheidungsgrund nehmen.«
»Die Prinzessin?« fuhren Rex und Czako a tempo heraus.
»Ja, die Prinzessin«, wiederholte Woldemar. »Ich war all die Zeit über gespannt, was das wohl für einen Eindruck auf Sie machen würde, weshalb ich mich auch gehütet habe, vorher mit Andeutungen zu kommen. Und es traf sich gut, daß mein Vater gestern abend nur so ganz leicht drüber hinging, ich möchte beinah sagen diskret, was sonst nicht seine Sache ist.«
»Prinzessin«, wiederholte Rex, dem die Sache beinah den Atem nahm. »Und aus einem regierenden Hause?«
»Ja, was heißt aus einem regierenden Hause? Regiert haben sie alle mal. Und so viel ich weiß, wird ihnen dies ›mal regiert haben‹ auch immer noch angerechnet, wenigstens sowie sich’s um Eheschließungen handelt. Um so großartiger, wenn einzelne der hier in Betracht kommenden Damen auf alle diese Vorrechte verzichten und ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit sich aus reiner Liebe vermählen. Ich sage ›vermählen‹, weil ›sich verheiraten‹ etwas plebeje klingt. Frau Katzler ist eine Ippe-Büchsenstein.«
»Eine Ippe!« sagte Rex. »Nicht zu glauben. Und erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meisten schockiert. Diese Ausgiebigkeit, ich finde kein andres Wort, oder richtiger, ich will kein andres finden, ist doch eigentlich das Bürgerlichste, was es gibt.«
»Zugegeben. Und so hat es die Prinzessin auch wohl selber aufgefaßt. Aber das ist gerade das Große an der Sache;
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